Erster Artikel. Nicht unmittelbar oder direkt ist der Teufel für den Menschen Ursache zur Sünde.
a) Es scheint dies jedoch. Denn: I. Die Sünde besteht unmittelbar im Affekt, in der Hinneigung. Augustin aber sagt (4. de Trin. 12.): „Der Teufel flößt seiner Gesellschaft boshafte Hinneigungen ein;“ — und Beda (act. 5, Anania, cur.): „Der Teufel zieht die Seele hin zur Bosheit;“ — ebenso schreibt Isidorus (2. de summo bono 41.): „Der Teufel füllt an die Herzen der Menschen mit geheimen Begierden.“ Also ist direkt und unmittelbar der Teufel Ursache der Sünde. II. Hieronymus erklärt (2. cont. Jovinian cap. 2.): „Wie Gott das Oute vollendet, so der Teufel das Böse. “Gott aber vollendet direkt und unmittelbar das Gute; also ebenso das Böse. III. Aristoteles lehrt (Ehtic. Eudem. 7, 18.): „Es muß ein Princip von außen her für die menschliche Beratung vorhanden sein.“ Die menschliche Beratung aber wird nicht allein gepflogen rücksichtlich des Guten, sondern auch rücksichtlich des Bösen. Wie also Gott direkt hinbewegt zum Guten in der Beratung, so der Teufel ebenfalls direkt zum Bösen. Auf der anderen Seite beweist Augustin (1. de lib. arb. 11.), daß „durch nichts Anderes die menschliche Vernunft Sklavin der Begierde wird wie durch sich selbst, d. h. durch den eigenen Willen.“ Der Mensch aber wird Sklave der Begierde durch die Sünde. Also direkte Ursache der Sünde kann nicht der Teufel sein, sondern einzig und allein der eigene Wille.
b) Ich antworte, die Sünde sei eine gewisse Thätigkeit. In jener Weise also ist jemand direkt Ursache der Sünde, in welcher jemand direkt Ursache einer Thätigkeit ist. Dies aber nun geschieht nicht anders, als wenn das dem thätigen Wesen eigene Princip jener Thätigkeit zum Handeln bestimmt und bewegt. Das eigene Princip der sündigen Thätigkeit aber ist der Wille; denn jede Sünde ist freiwillig. Also nur jenes Wesen kann direkt Ursache der Sünde sein, welches den Willen bestimmen und bewegen kann zum Handeln. Der Wille kann nun von zwei Seiten her bestimmt und in Thätigkeit gesetzt werden: 1. vom Gegen stände her, wie man danach sagt, daß das begehrbare Gut, soweit es erfaßt ist, den Willen bewegt zum Wollen; — 2. von Jenem her, was innerlich, im Innern des Willens, hinneigt den Willen zum Wollen; dies letztere kann nur der Wille selbst sein oder Gott. Gott kann nun nicht die Sünde verursachen. Also kann von dieser Seite her nur der Wille direkt Ursache der Sünde sein. Von seiten des Gegenstandes aber her kann etwas den Willen bewegen oder bestimmen in dreifacher Weise: 1. der Gegenstand selber, der vorliegt; wie die Speise bewegt das Verlangen des Menschen nach Nahrung; — 2. jener, der den Gegenstand vorlegt oder darbietet; — 3. jener, der dazu überredet, daß der betreffende Gegenstand den Charakter des Guten habe; denn auch ein solcher legt einigermaßen den Gegenstand vor, da dieser ein von der Vernunft aufgefaßtes Gut sein muß, sei es ein wahres sei es ein scheinbares. In der ersten Weise nun bewegen den Willen die außen erscheinenden, sinnlich wahrnehmbaren Gegenstände. In der zweiten und dritten Weise kann ein Mensch oder auch der Teufel anregen zum Sündigen entweder darbietend etwas für den Sinn Begehrbares oder überredend die Vernunft. Da jedoch der Wille nicht mit Notwendigkeit vom Gegenstande, außer vom letzten Endzwecke her in Thätigkeit gesetzt wird, so kann keines von diesen dreien direkt oder ausreichend die Sünde verursachen. Also kann der Teufel bloß in der Weise des darbietenden oder des überredenden Urache der Sünde sein.
c) I. Alle diese Stellen sind im letztgenannten Sinne zu verstehen. II. Der Teufel ist in gewisser Weise Ursache unserer Sünden; und Gott ist in gennsser Weise Ursache unserer guten Werke. Aber die Weise, wie jeder es ist, die ist unterschieden. Gott nämlich verursacht den guten Akt, indem Er als erste Ursache im Innern des Willens den Willen bestimmt und bewegt; der Teufel, indem er von außen, von der Vernunft und dem Gegenstande her, den Willen bewegt. III. Gott ist das allumfassende Princip jeder inneren menschlichen Thätigkeit. Daß aber der Wille im einzelnen Falle zu einem schlechten Rate bestimmt werde; das ist direkt und unmittelbar vom menschlichen Willen; — in der Weise des vorlegenden und überredenden kann es auch vom Teufel sein.
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