Fünfter Artikel. Wenn Eva allein gesündigt hätte, so würden die Nachkommen keine Erbsünde haben.
a) Dagegen spricht: I. Die Stelle Röm. 5.: „In dem (in Adam) alle gesündigt haben.“ Der Mensch aber ist ebensogut in der Mutter wie im Vater. II. Hätte Eva gesündigt und Adam nicht, so würden die Kinder dem Leiden zugänglich und sterblich geboren werden; denn die Mutter giebt bei der Zeugung den zu formenden Stoff. Der Tod und alles Leiden aber kommt von der Notwendigkeit des Stoffes. Der Tod und die Leiden nun bilden die Strafe für die Erbsünde. Wenn also Eva allein gesündigt hätte, so würden doch die Kinder in der Erbsünde geboren worden sein. III. Damascenus sagt (3. de orth. fide 2.): „Der heilige Geist kam zuvor in der Jungfrau Maria“ sie reinigend. Dies geschah aber, damit Christus ohne Erbsünde geboren würde. Also aus der Mutter allein wird die Ansteckung abgeleitet. Und somit hätte die Erbsünde auch bestanden, wenn Adam nicht gesündigt hätte. Auf der anderen Seite sagt Paulus Röm. 5.: „Durch einen Menschen ist die Sünde in die Welt getreten.“ Da hätte er aber vielmehr sagen müssen, „durch zwei“; oder durch das Weib, da das Weib zuerst gesündigt hatte, wenn die Frau die Erbsünde fortpflanzte.
b) Ich antworte, die Erbsünde werde vom ersten Stammvater fortgepflanzt, bis wieweit seine bewegende zeugende Kraft reicht. Nun ist aber nach allen Philosophen das thätige Princip beim Zeugen im Vater; während den leidenden, formbaren Stoff die Mutter leiht. Also nur durch Adam wird die Erbsünde in erster Linie fortgepflanzt; und dies wäre auch geschehen, wenn er allein gesündigt hätte.
c) I. Im Vater ist das Kind, wie im thätigen Princip. II. Hätte Adam nicht gesündigt, sondern nur Eva, so wäre auch kein Tod und kein Leiden gekommen. Denn Unsterblichkeit und Leidenslosigkeit im Urzustände kamen nicht von der Lage des Stoffes her; sondern von der Urgerechtigkeit und diese wäre geblieben. III. Jene Reinigung, welche der heilige Geist vor der Menschwerdung des ewigen Wortes in Maria vollbrachte, geschah nicht, um die Fortpflanzung der Erbsünde zu hindern; sondern weil die heilige Jungfrau im höchsten Grade der Reinheit strahlen sollte. Denn Gottes Wohnung muß rein sein. nach Ps. 92.: „Dem Hause Gottes gebührt Heiligkeit.“
