Dritter Artikel. Das Alte Gesetz enthält zudem Ceremonialvorschriften.
a) Dies scheint gegen das Wesen eines Gesetzes überhaupt zu sein. Denn: I. Jedes den Menschen gegebene Gesetz ist eine Richtschnur für menschliche Thätigkeiten. Gerade die menschlichen Thätigkeiten als menschliche werden aber als „moralische“ bezeichnet. Also ist neben den moralischen Vorschriften im Alten Gesetze keine Ceremonialvorschnft. II. Dergleichen Ceremonialvorschriften scheinen zum Kult, also zur öffentlichen Gottesverehrung, zu gehören. Der Kult Gottes ist aber eine Tugend, nämlich die der Religion, welche nach Cicero (lib. 2. de Inv.) „der göttlichen Natur Verehrung und Gebräuche oder Ceremonien darbringt.“ Also sind diese sogenannten Ceremonialvorschriften am Ende moralische Vorschriften, da sie auf eine Tugend gehen. III. Die Ceremonialvorschriften scheinen etwas figürlich zu bezeichnen. Aber, wie Augustin sagt (2. de doctr. chr. 3. et 14 ) „unter den Menschen haben die Worte den Vorrang sich erobert im Bezeichnen.“ Also besteht da gar keine Notwendigkeit für figürliche Ceremonien. Auf der anderen Seite heißt es Deut. 4.: „Zehn Worte, die Gott schrieb auf steinerne Tafeln; Er gebot mir, euch zu lehren zu jener Zeit die Ceremonien und die Gerichtsurteile, die ihr vollenden sollt.“ Die zehn Worte sind die zehn Gebote; also Moralvorschriften. Sonach giebt es außer den moralischen noch andere, nämlich Ceremonialvorschriften.
b) Ich antworte, das göttliche Gesetz sei da, um an erster Stelle die Menschen auf Gott hinzu beziehen; das menschliche, um sie auseinander zu beziehen. Die menschlichen Gesetze also trugen keine Sorge dafür, etwas zu bestimmen mit Rücksicht auf den Kult Gottes oder höchstens soweit dies Beziehung hat zum gemeinen Besten. Sie machten deshalb manche Vorschriften betreffs der öffentlichen Gottesverehrung, des Kults, soweit dies ihnen nützlich erschien zur Herstellung guter Sitten unter den Menschen. Das göttliche Gesetz aber umgekehrt schuf insoweit eine Ordnung unter den Menschen als dies zukömmlich war der Hinordnung zu Gott, worauf vor Allem seine Absicht ging. Nun hat der Mensch nicht nur Beziehung zu Gott vermittelst innerlicher Thätigkeiten, wie das sind Glauben, Hoffen, Lieben; sondern auch durch äußerliche, durch welche der Mensch sich als Diener Gottes bekennt. Und diese äußerlichen Thätigkeiten gehören zum göttlichen Kult. Der Kult nun umfaßt Ceremonien, was dasselbe ist wie Cereris munia, weil zuerst Früchte Gott dargebracht wurden und Ceres die Göttin der Früchte genannt wurde oder wie Maximus Valerius (lib. I. num. 10.) berichtet, käme dieses Wort von Caere, einer kleinen Stadt bei Rom; denn da wurden, als Rom von den Galliern genommen worden war, in höchster Ehrfurcht Opfer dargebracht von den Römern und der göttliche Kult ausgeübt. Jene Vorschriften also, welche im Alten Gesetze zum göttlichen Kult gehören, werden speciell Ceremonialvorschriften genannt.
c) I. Die menschlichen Thätigkeiten erstrecken sich auch auf den göttlichen Kult; und danach bestehen Ceremonialvorschriften. II. Die Vorschriften des Naturgesetzes sind allgemein und bedürfen weiterer Bestimmung. Sie werden nun weiter bestimmt vom göttlichen Gesetze. Und wie jene Bestimmungen, welche vom menschlichen Gesetze herrühren, nicht bezeichnet werden als vom Naturgesetze herrührend, sondern vom positiven; so werden auch jene Bestimmungen, welche dem göttlichen Gesetze entstammen, unterschieden von den moralischen, die zum Naturgesetze gehören als dessen Erläuterungen. Gott also verehren gehört, da dies ein Tugendakt ist, in das Moralgebiet. Die weitere Bestimmung aber dieses Gesetzes, soweit nämlich Gott mit solchen bestimmten Opfern und Geschenken verehrt werden soll und nicht mit anderen, gehört in das Ceremonialgebiet. III. „Das Göttliche kann den Menschen nicht zugänglich werden außer vermittelst sinnlich wahrnehmbarer Ähnlichkeiten,“ sagt Dionysius 1. de coel. hier. Diese Ähnlichkeiten oder Bilder selbst aber regen den menschlichen Geist an, wann sie nicht einzig mit Worten ausgedrückt werden, sondern auch dem Sinne sich darbieten Und deshalb wird in der Schrift das Göttliche gelehrt nicht nur durch Worte in figürlichen Reden, sondern auch durch Bilder und Ähnlichkeiten von Dingen, die dem Sinne dargeboten werden; und Letzteres gehört in das Bereich der Ceremonien. L.
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