Dritter Artikel. Wer thut was an ihm liegt und von ihm abhängt, erhält nicht damit notwendig die Gnade.
a) Das Gegenteil ist richtig. Denn: I. Zu Nöm. 3. (Justitia Dei manifestata est), sagt die Glosse: „Gott blickt den an, der zu Ihm seine Zuflucht nimmt; sonst wäre bei Ihm Ungerechtigkeit.“ (Rab. Maur. 2 Comm. in hunc loc.) II. Anselm sagt (de casu diab. 3.): „Der Teufel wollte nicht die Gnade empfangen; deshalb gab sie Gott ihm nicht.“ Wer also die Gnade will, dem wird sie gegeben. III. Das Gute der Gnade ist in noch höherem Grade mitteilsam wie das Gute der Natur; denn es ist in höherem Grade ein Gut und hat so mehr den Charakter d. h. den maßgebenden Grund des Guten in sich. Wenn aber der Stoff gehörig vorbereitet ist, so tritt mit Notwendigkeit die naturgemäß bestimmende Form hinzu. Also tritt die Gnade mit um so größerer Notwendigkeit zu dem hinzu, der sich entsprechend zur Gnade vorbereitet. Auf der anderen Seite heißt es Jerem. 18.: „Wie der Thon in der Hand des Töpfers; so seid ihr in meiner Hand.“ Wie vorbereitet der Thon aber auch immer sein mag, es geht von ihm keine Notwendigkeit aus für die Einprägung der Form. Also wie auch immer der Mensch sich vorbereitet, nicht mit Notwendigkeit folgt die Gnade.
b) Ich antworte, die besagte Vorbereitung gehe von Gott aus als dem in Thätigkeit setzenden; vom freien Willen als dem in Thätigkeit gesetzten Princip. Wird also die Vorbereitung der Seele für die Gnade betrachtet, insoweit sie vom freien Willen ist, so besteht da gar keine Notwendigkeit für den Eintritt der Gnade; denn über alle Vorbereitung, menschlicher Kraft erhebt sich das Geschenk der Gnade. Wird sie aber betrachtet, insoweit sie von Gott als der bewegenden Kraft ausgeht, so ist notwendige Beziehung da zu dem, was von Gott angeordnet wird; nicht freilich notwendig, wie Zwang, sondern wie unfehlbar eintretend: „Kraft der Wohlthaten Gottes werden unfehlbar befreit, die befreit werden“, sagt Augustin (de dono persev. 14.) Ist es also in der Absicht Gottes, der den freien Willen bewegt, daß der Mensch Gnade erlange, so erlangt er sie unfehlbar: „Wer gehört hat vom Vater und gelernt hat, der kommt zu mir;“ heißt es Joh. 6.
c) I. Die Glosse spricht von jenem, der zu Gott seine Zuflucht nimmt kraft eines freien Willensaktes, der bereits vollendet ist durch die Gnade. Oder es kommt der Anstoß zu dieser Thätigkeit des Flehens zu Gott eben von Gott selber. In diesen Fällen wäre es wider die Gerechtigkeit, welche Gott selber aufgestellt, einen solchen nicht anzublicken. II. Der Mangel an Gnade ist von uns als erster Ursache; die Verleihung der Gnade ist von Gott als erster Ursache: „Dein Verderben ist aus dir, Israel: nur von mir ist dein Heil.“ III. Nur kraft der einwirkenden Ursache ebenfalls, welche den Gegenstand oder den Stoff vorbereitet, geschieht es im Bereiche der Natur, daß die natürliche Form eintritt.
