Erster Artikel. Der Abfall vom Glauben gehört zum Unglauben.
a) Dies wird geleugnet. Denn: I. Der Abfall von Gott ist der Ursprung aller Sünde, nach Ekkli. 1O.: „Der Beginn des Stolzes im Menschen ist das Abfallen von Gott“ und nachher: „Der Beginn aller Sünde ist der Stolz.“ Also gehört der Abfall nicht speciell zum Unglauben. II. Der Unglaube hat seinen Sitz in der Vernunft. Das Abfallen von Gott aber hat mehr im äußeren Willen seinen Sitz. Denn so heißt es Prov. 6.: „Der abgefallene Mensch: ein unnützer Mann, voranschreitend mit verkehrter Rede, zuwinkend mit den Augen, er scharrt mit dem Fuße, spricht mit dem Finger, denkt im Herzen an Schlechtes und zu jeder Zeit säet er Streit und Zank.“ So würde auch jemand als ein abgefallener betrachtet werden, der sich beschneiden ließ oder das Grab Mohammeds anbetete. III. Nach dem vorher Gesagten ist die Apostasie keine bestimmte Gattung des Unglaubens wie die Häresie; also gehört sie gar nicht zum Unglauben. Auf der anderen Seite heißt es Ioh. 6, 17.: „Viele von seinen Schülern gingen von Ihm ab,“ was eben ist: Abfallen. Vorher aber hatte der Herr gesagt: „Es sind manche unter euch, die nicht glauben.“ Abfallen also gehört zum Unglauben.
b) Ich antworte, Abfallen von Gott schließe ein das Zurückgehen, das Sichentfernen von Gott. Nun wird der Mensch zuerst mit Gott verbunden vermittelst des Glaubens; dann vermittelst der Unterwerfung des Willens, daß er Gottes Geboten gehorche; ferner durch manches Andere, was über das Geforderte hinausgeht, wie durch die Ordensprofeß, den geistlichen Stand u. s. w. Wird nun das Erste entfernt, so fällt auch das Übrige; aber nicht umgekehrt. Es kann nämlich der Mensch vom Orden abfallen oder vom geistlichen Stande oder auch durch Widerstreben gegen den göttlichen Willen; und kann trotzdem mit Gott verbunden bleiben durch den Glauben. Fällt er aber vom Glauben ab, so entfernt er sich durchaus von Gott; und deshalb wird dieses Abfallen bezeichnet als perfidia, Treulosigkeit, und gehört somit danach die Apostasie schlechthin zum Unglauben.
c) I. Der Einwurf spricht von der zweiten Art Abfall, wo der Wille in Frage kommt. II. Der Glaube ist nicht allein im Herzen, sondern spricht sich auch in Wort und That aus. Denn das Bekennen ist ein Akt des Glaubens. Und so gehören auch manche Worte und Thaten zum Unglauben als Zeichen desselben, wie man auch das Zeichen der Gesundheit als „gesund“ bezeichnet. Weil nun im Menschen, nachdem der Glaube geschwunden, nichts übrig, bleibt, was zum Heile nützlich wäre, wird ein solcher ein „unnützer Mann“ genannt. Sodann aber ist der Glaube das Leben der Seele, denn „der Gerechte lebt aus dem Glauben.“ Wie aber, wenn der Tod des Leibes eingetreten, alle Glieder von ihrer gebührenden Lage sich entfernen, so erscheint auch, wenn das Leben der Gerechtigkeit, der Glaube also, geschwunden ist, die Regellosigkeit in allen Gliedern: zuerst im Munde, der am meisten das Herz offenbart; dann in den Augen; ferner in den Gliedern, welche Werkzeuge der Bewegung sind; endlich im Willen, der auf Schlechtes sinnt. Aus dem allem folgt dann, daß Streit und Zank gesäet wird, um andere vom Glauben abzubringen. III. Daß eine Eigenschaft oder ein Zustand der Ausgangs- oder der Schlußpunkt einer Bewegung sei, begründet in derselben keinen Wesensunterschied. Vielmehr werden umgekehrt die Bewegungen in verschiedene Gattungen geteilt je nach ihrem Abschlußpunkte. Für den Abfall aber ist der Unglaube als Zustand nur der Abschlußpunkt. Also wird dadurch im Unglauben selber keine neue Gattung begründet, sondern der Abfall bildet da einen gewissen erschwerenden Umstand; nach 2. Petr. 2.: „Besser wäre es ihnen gewesen, nicht zu erkennen die Wahrheit, als von der erkannten sich wieder zu entfernen.
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