Dritter Artikel, Die Verblendung des Geistes und die Stumpfheit des Sinnes kommen von fleischlichen Sünden.
a) Dementgegen schreibt: I. Augustin, indem er widerruft, daß „nur die reinen Wahres erkennen“: „Es kann darauf geantwortet werden, auch viele unreine wüßten viele Wahrheiten.“ II. Die zwei erwähnten Sünden gehören dem vernünftigen Teile an; die fleischlichen dem verdorbenen fleischlichen Teile. Das Fleisch aber hat kein Einwirken auf die vernünftige Seele, sondern das Umgekehrte ist der Fall. III. Jegliches leidet mehr von dem was nahesteht, wie von dem was ferner steht. Näher aber stehen dem Geiste des Menschen die geistigen Laster wie die fleischlichen. Also mehr sind die geistigen Laster Ursache der Verblendung und der Stumpfheit wie die fleischlichen. Auf der anderen Seite steht die Autorität des heiligen Gregor (s. oben) 31. moral. 17.
b) Ich antworte, die Vollendung der vernünftigen Thätigkeit im Menschen bestehe in einer gewissen Loslösung von den Phantasiebildern. Je losgelöster deshalb die menschliche Vernunft von derartigen Phantasiebildern ist, desto durchdringender kann sie Geistiges betrachten und regeln das Sichtbare, wie auch Anaxagoras sagt, die Vernunft müsse unvermischt sein, damit sie über den Stoff gebiete. Die Ergötzung aber wendet die Absicht des Geistes offenbar zu dem, worin man sich ergötzt; weshalb 10. Ethic. 4. es heißt: „Ein jeder wirkt im höchsten Grade gut in dem, was er mit Ergötzen thut; was er aber ohne Ergötzen thut, darin ist sein Wirken schwach oder findet gar nicht statt.“ Die fleischlichen Sünden nun, nämlich die Gaumenlust und die Unkeuschheit, befassen sich mit den Ergötzlichkeiten des Tastsinnes, der Speisen also und des Geschlechtlichen, die da unter den körperlichen Ergötzlichkeiten im höchsten Grade ergötzlich sind. Kraft dieser Laster also wird die Absicht des Menschen im höchsten Grade dem Körperlichen zugewendet und folgerichtig wird geschwächt die Thätigkeit des Menschen mit Rücksicht auf das geistig Erkennbare; und zwar mehr durch die geschlechtlichen Ergötzungen wie durch die Gaumenluft, denn dieselben reizen mit mehr Heftigkeit. Danach entsteht aus der Wollust die Verblendung des Geistes, die gewissermaßen ganz und gar die Kenntnis des Geistigen ausschließt; und aus der Gaumenlust folgt die Stumpfheit des Sinnes, die den Menschen schwach macht für die Erkenntnis des Geistigen. Dagegen bereiten die entgegengesetzten Tugenden, die Keuschheit und Enthaltsamkeit, im höchsten Grade den Menschen vor zur Vollendung der geistigen Thätigkeit. Deshalb heißt es Dan. 1.: „Diesen Knaben,“ die da fasteten, „gab Gott Weisheit und Wissen in jedem Zweige.“
c) I. Es können wohl auf Grund ihres großen Talentes manche Menschen Geistiges betrachten, trotzdem sie fleischlichen Sünden Unterthan sind; — jedoch muß wegen dieser Anhänglichkeit an die fleischlichen Laster ihre Absicht oft abgezogen werden von der Erhabenheit der Betrachtung des Geistigen. Und so können unreine wohl Wahres wissen; aber ihre Unreinheit ist ein Hindernis dafür. II. Das Fleisch wirkt nicht in den Geist hinein; aber hindert dessen Thätigkeit in der genannten Weise. III. Je mehr die fleischlichen Laster eben von der Vernunft entfernt sind, desto mehr ziehen sie dieselbe ganz und gar außerhalb des ihr eigenen Bereiches und hindern die geistige Beschauung.
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