Erster Artikel. Die Verblendung des Geizes ist eine 5ünde.
a) Dies ist nicht so. Denn: 1. Sie entschuldigt vielmehr, nach Joh. 9.: „Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde.“ II. Sie ist eine Strafe, nach Isai. 6.: „Verblende das Herz dieses Volkes;“ denn von Gott kann nicht die Schuld, sondern nur die Strafe kommen. III. Sie ist nichts Freiwilliges. Denn „die Wahrheit zu erkennen, danach verlangen alle,“ sagt Augustin (10. Conf. 23.); und Ekkli. 11.: „Süß ist das Licht; und ergötzlich den. Augen, die Sonne zu sehen.“ Also ist die Verblendung des Geistes keine Sünde. Auf der anderen Seite zählt Gregor (31. moral. 17.) die Verblendung des Geistes unter den Lastern auf, die von der Unkeuschheit verursacht werden.
b) Ich antworte; wie die körperliche Blindheit der Mangel dessen in uns ist, was als Princip des körperlichen Sehens dasteht; so ist die geistige Verblendung der Mangel dessen, was als Princip des geistigen Erkennens betrachtet werden muß. Ein solches Princip ist: 1. Das Licht der natürlichen Vernunft; dieses Lichtes ermangelt die Seele niemals, da es zur Wesensnatur des Menschen gehört; — nur wird es manchmal in seiner Thätigkeit gehindert gemäß den Hindernissen, die von den niederen Kräften herrühren, deren die menschliche Vernunft von seiten des vorgestellten Gegenstandes her bedarf, um zu verstehen; wie ein solches Hindernis bei den Rasenden und Wahnsinnigen besteht. 2. Ein übernatürliches Licht, welches in der Weise eines Zustandes dem natürlichen hinzugefügt wird; dieses Lichtes ermangelt manchmal die Seele und das ist eine Strafe, insofern der Mangel des Lichtes der Gnade als Strafe genommen wird. Deshalb wird von manchen gesagt: „Verblendet hat sie ihre eigene Bosheit.“ (Sap. 21.) 3. Ein als Gegenstand erkennbares Princip, kraft dessen der Mensch Anderes zu erkennen vermag. Auf dieses Princip kann nun der Mensch achtgeben oder nicht. Und dieses Letztere geschieht entweder, weil sich der Mensch freiwillig von solchem Princip abwendet und es nicht beachtet, nach Ps. 35.: „Er wollte nicht verstehen, damit er nicht etwa gut handle;“ — oder, weil er sich mit Anderem beschäftigt, was er in höherem Grade liebt. und sich dadurch von der Betrachtung dieses Lichtes abhalten läßt, nach Ps. 37.: „Feuer siel auf sie und sie sahen nicht die Sonne,“ nämlich das Feuer der Begierlichkeit. In beiden letztgenannten Weisen ist die Verblendung des Geistes Sünde.
c) I. Der natürliche Mangel an Licht entschuldigt, weil man da nicht sehen kann. II. Dies ist die zweite Art Blindheit, die da Strafe ist. III. Wahrheit erkennen ist für sich süß; aber nicht immer ist es angenehm, eine bestimmte Wahrheit zu betrachten, die den Menschen nämlich von dem abhält, was er liebt.
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