Erster Artikel. Die Hoffnung hat im Willen ihren Sitz.
a) Dagegen spricht: I. Das schwer zu erreichende Gut ist Gegenstand der Hoffnung; solches aber ist nicht Gegenstand des Willens, sondern der irascibilis, der Abwehrkraft. Also hat in letzterer die Hoffnung ihren Sitz. II. Zur Vollendung des Willens genügt die heilige Liebe; also ist die Hoffnung überflüssig. III. Der Akt der Hoffnung kann zugleich sein mit dem Akte der heiligen Liebe. Ein einiges Vermögen aber kann nicht zugleich von zwei nicht aufeinander bezogenen Thätigkeiten vollendet werden; wie die Vernunft auch nicht zugleich Vieles, voneinander Unabhängiges, verstehen kann. Da nun der Liebesakt offenbar seinen Sitz im Willen hat, so kann dies nicht rücksichtlich des Hoffnungsaktes der Fall sein. Auf der anderen Seite ist die Seele fähig, Gott in sich aufzunehmen, einzig und allein gemäß dem vernünftigen Geiste, wo das Gedächtnis, das vernünftige Verständnis und der Wille ist. (Aug. 14. de Trin. 3. et 6.) Die Hoffnung aber hat unmittelbar Gott zum Gegenstande. Da sie also weder in der Vernunft noch im Gedächtnisse, das ja in der Vernunft ist, sein kann, so muß sie ihren Sitz im Willen haben.
b) Ich antworte, die Zustände werden durch die Thätigkeiten verstanden. Der Akt der Hoffnung aber ist eine Bewegung des begehrenden Teiles, da ihren Gegenstand das Gute bildet. Da nun die Hoffnung nicht im sinnlichen begehrenden Teile sein kann, wo die Leidenschaften sind, denn ihr Gut ist kein sinnlich wahrnehmbares; so kann sie nur im geistigen Willen sein und nicht in der sinnlichen Abwehrkraft.
c) I. Der Gegenstand der theologischen Tugend der Hoffnung ist ein schwer zu erreichendes Gut, was noch über der natürlichen Vernunft steht; also kann sie ihren Sitz nicht in der niedrigen sinnlichen Abwehrkraft haben. II. Die heilige Liebe vollendet genügend den Willen, soweit es auf das Lieben ankommt. Zum Akte der Hoffnung gehört eine andere Tugend. III. Die Akte der Hoffnung und der Liebe stehen in geregelter Beziehung zueinander. Sie können also zugleich im Willen sein, wie auch die Vernunft Vieles verstehen kann, von dem das Eine den Grund des Anderen bildet.
