Vierter Artikel. Die Verzweiflung entsteht aus der geistigen Trägheit und Trauer.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Ein und dasselbe kommt nicht von Verschiedenem. Die Verzweiflung am ewigen Leben aber kommt aus der Wollust, sagt Gregor (31. moral. 17.). II. Wie der Hoffnung die Verzweiflung, so steht entgegen der geistigen Freude die geistige Trägheit oder Trauer. Die geistige Freude aber kommt von der Hoffnung, nach Röm. 12.: „Kraft der Hoffnung sich freuend.“ Also kommt die geistige Trauer von der Verzweiflung und nicht umgekehrt. III. Die Hoffnung geht hervor aus der Betrachtung der göttlichen Wohlthaten und zumal des Geheimnisses der Menschwerdung; denn Augustin sagt (13. de Trin. 10.): „Nichts war so notwendig, um unsere Hoffnung aufzurichten, als daß uns gezeigt würde, wie sehr uns Gott liebte. Welches ausdrücklicheres Zeugnis aber kann es dafür geben, als daß der Sohn Gottes sich gewürdigt hat, unsere Natur zu seiner Erhabenheit zu erheben und selbe mit Sich zu vereinen.“ Also kommt die Verzweiflung vom Gegenteil, d. h. von der Vernachlässigung dieser Betrachtung. Auf der anderen Seite zählt Gregor (31. moral. 17.) die Verzweiflung unter dem auf, was aus der geistigen Trägheit hervorgeht.
b) Ich antworte; in zweifacher Weise kann in jemandem die Hoffnung mangeln: entweder in der Weise, daß er den Gegenstand derselben nicht als ein schwer zu erreichendes Gut erachtet; oder so, daß er ihn nicht als möglich zu erreichen sich vorstellt, weder für sich noch mit Hilfe des Beistandes eines anderen. Dazu aber daß die geistigen Güter uns nicht als Güter vorkommen oder doch nicht als große, vieler Mühe und Arbeit werte Güter, leitet uns an die Hinneigung zu körperlichen Ergötzungen und zumal zu geschlechtlichen; denn infolge derselben entsteht ein Ekel am Geistigen überhaupt. Danach also ist die Wollust als die Ursache der Verzweiflung anzusehen. Dazu aber daß jemand die Erreichung eines großen Gutes nicht für möglich hält, führt die Unlust; und wenn diese im Menschen herrscht, so scheint es ihm, er könne zu keinem Gute sich erheben. Danach also ist die geistige Trauer oder Trägheit die Quelle der Verzweiflung. Nun ist dies zumal eigen dem Gegenstände der Hoffnung, daß er zu erreichen sei; denn das Schwere und das Gute findet sich auch bei anderen Leidenschaften. Also entsteht die Verzweiflung in mehr eigentlichem Sinne aus der geistigen Unlust.
c) I. Ist oben beantwortet. II. Die Hoffnung veranlaßt Ergötzen und wieder sind andererseits die Menschen, welche sich ergötzen, größerer Hoffnung, sagt Aristoteles. (I.Rhet.11.) Und danach fallen Menschen, die traurig sind, leicht in Verzweiflung, nach 2. Kor. 2.: „Damit nicht von größerer Trauer verzehrt werde, der da traurig ist.“ Weil aber der Gegenstand der Hoffnung das Gute ist, zu dem das Begehren von Natur aus sich wendet und was nicht geflohen wird außer auf Grund eines dazwischentretenden Hindernisses; deshalb entsteht unmittelbar aus der Hoffnung Freude, aus der Trauer Verzweiflung. III. Auch diese Nachlässigkeit in der Betrachtung der göttlichen Wohlthaten kommt von der geistigen Trägheit. Denn der in einer Leidenschaft befindliche Mensch denkt zumal an Jenes, was zu dieser Leidenschaft gehört. Wer also traurig ist, der denkt schwer an Angenehmes und Erhebendes; wenn er nicht sich selbst überwindet und seine Leidenschaft.
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