Erster Artikel. Frieden ist nicht ein und dasselbe wie Eintracht.
a) Dies scheint aber. Denn: I. Augustin sagt (19. de civ. Dei 12.): „Frieden bei den Menschen ist geordnete Eintracht.“ II. Die Eintracht ist Einigung der Willenskräfte. „Der Friede aber einigt Alles und ist thatkräftige Übereinstimmung,“ heißt es bei Dionysius (11. de div. nom.) III. Dem Frieden und der Eintracht steht beiden zusammen entgegen die Zwietracht, so daß 1. Kor. 14. gesagt wird: „Gott ist nicht der Gott der Zwietracht, sondern des Friedens.“ Also ist Frieden dasselbe wie Eintracht. Auf der anderen Seite kann bei gottlosen auch, rücksichtlich der Begehung des Übels, Eintracht sein. „Frieden aber haben die Gottlosen nicht;“ heißt es Isai. 48.
b) Ich antworte; der Frieden schließt die Eintracht in sich ein und fügt etwas hinzu. Denn wo Frieden ist, da ist Eintracht; nicht immer aber findet sich da wo Eintracht ist Frieden. Eintracht nämlich ist daher genommen, daß das Trachten vieler eines ist, daß also die Herzen verschiedener auf dasselbe gehen. Das Herz eines einzelnen Menschen aber kann auf Verschiedenes gehen: entweder so, daß das sinnliche Begehren auf etwas Anderes sich richtet wie der vernünftige Wille, nach Gal. 5.: „Das Fleisch begehrt wider den Geist“; oder so, daß ein und dieselbe begehrende Kraft auf verschiedenes Begehrbare sich richtet, was es zu gleicher Zeit nicht erreichen kann. Daher kommt dann der Widerstreit in den Thätigkeiten des Begehrens. Die Einheit dieser verschiedenen Thätigkeiten nun gehört zum Wesenscharakter des Friedens. Denn solange der Mensch nicht hat was er will, ist in seinem Herzen kein Frieden; und ebenso wann er hat was er will, jedoch noch etwas übrig bleibt, was er wohl will, was er aber zugleich mit dem Anderen nicht besitzen kann. Diese Einheit nun ist nicht dem Wesen der Eintracht angehörig, welche nur die Einigung im Trachten oder Wollen verschiedener wollenden besagt und nicht die Einheit im Wollen der nämlichen Person.
c) I. Augustin spricht da vom Frieden mit den anderen; und diese Eintracht ist geordnet, wenn sie mit Rücksicht auf das Gebührende, Zukömmliche sich geltend macht. Denn stimmt jemand gezwungen zu, aus Furcht vor einem Übel, so ist solche Eintracht kein Friede; die Ordnung nämlich wird da durch die Furcht gestört. Deshalb schickt er voraus: „Friede ist: Ruhen in der Ordnung“, wenn nämlich alle begehrenden Thätigkeiten im einzelnen Menschen ruhen. II. Die Zustimmung verschiedener Menschen in Ein und dasselbe ist nicht ganz und gar geeint, wenn nicht alle Thätigkeiten des ganzen begehrenden Teiles gegenseitig übereinstimmen. III. Dem Frieden steht gegenüber eine doppelte Zwietracht: die des Menschen in sich selbst, und die des einen zum anderen. Der Eintracht steht gegenüber nur diese letzte.
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