Erster Artikel. Die Gabe des Rates ist eine Gabe des heiligen Geistes.
a) Dies ist nicht der Fall. Denn: I. Die Gaben des heiligen Geistes werden verliehen, um den Tugenden beizustehen. (Gregor. 2. moral. 27.) Um zu beraten aber genügt die Tugend der Klugheit oder speciell die des „guten Beratens“, die Eubulia. II. Die zum Besten anderer verliehenen Gnaden werden nicht allen gegeben; die Gaben des heiligen Geistes aber allen, die im Stande der Gnade sind. Die Gabe des Rates nun wird vom heiligen Geiste nur einzelnen verliehen, nach Makkab. 2.: „Siehe da Simon, euer Bruder, er hat guten Rat.“ Also handelt es sich hier nicht um eine der sieben Gaben des heiligen Geistes. III. Röm. 8. heißt es: „Die da vom Geiste Gottes getrieben werden, sie sind die Kinder Gottes.“ Denen aber, welche von einem anderen getrieben werden, kommt der Rat nicht zu. Da also die sieben Gaben des heiligen Geistes zumal den Kindern Gottes gebühren, „die empfangen haben den Geist der Gotteskindschaft,“ so gehört der Rat nicht zu den sieben Gaben des heiligen Geistes. Auf der anderen Seite steht die heilige Schrift, Isaias 11, 2.
b) Ich antworte; durch die Gaben des heiligen Geistes wird die Seele in die richtige Verfassung gebracht, um leicht vom heiligen Geiste in Thätigkeit oder in Bewegung gesetzt zu werden. Jegliche Kreatur aber setzt der Herr in Thätigkeit, wie es ihrer Seinsbeschaffenheit zukommt; wie Er die körperliche Kreatur vermittelst der Zeit und des Ortes bewegt, die rein geistige aber nur vermittelst der Zeit und nicht des Ortes. (Aug. 8. sup. Gen. ad litt. 28.) Nun ist es eigen der vernünftigen menschlichen Natur, daß sie vermittelst vernünftiger Untersuchung zum Thätigsein übergeht; und dieses Untersuchen heißt Beraten. Also bewegt der heilige Geist die menschliche Kreatur vermittelst des Rates; und danach giebt es eine Gabe des heiligen Geistes, die man „Rat“ nennt.
c) I. Soweit die Vernunft begreifen kann, leitet die Klugheit und was damit zusammenhängt, sei sie erworben oder von oben eingeflößt. Weil aber die menschliche Vernunft das Einzelne und Besondere, was da begegnen kann, nicht zu begreifen vermag, so „sind unsere Gedanken furchtsam und ungewiß unsere Voraussicht.“ (Sap. 9.) Also muß der Mensch in seinem Untersuchen von Gott unterstützt werden, der Alles begreift, und dies geschieht durch die Gabe des Rates; wie ja auch im Bereiche des Menschlichen man von den Weiseren sich Rats erholt. II. Es kann dies eine zum Besten anderer verliehene Gnade sein, daß jemand auch anderen guten Rat geben kann. Daß aber der Mensch guten Rats sich erfreut in dem zu seinem eigenen Heile Notwendigen, dies ist der Gabe des Rats gedankt; und diese ist in allen, die im Stande der Gnade sind. III. Die Kinder Gottes werden nach ihrer Weise, d. h. unter Wahrung ihres freien Willens, von Gott geführt. Insoweit also die Vernunft vom heiligen Geiste bewegt oder belehrt wird für die entsprechende Thätigkeit, gebührt den Kindern Gottes die Gabe des Rates.
