Dritter Artikel. Die Gabe des Rates bleibt im ewigen Heim.
a) Dies scheint unmöglich. Denn: I. Der Rat betrifft das Zweckdienliche. Im Himmel aber besitzt man den Endzweck. II. Das Beraten setzt Zweifeln voraus (3 Ethic. 3.); was im Himmel nicht statthat. III. Im ewigen Heim sind wir Gott gleichförmig (1. Joh. 3.), der keines Rates bedarf. (Röm. 2, 34.) Auf der anderen Seite sagt Gregor (17. moral. 8.): „Wenn eines jeden Volkes Schuld oder Gerechtigkeit vor dem Rate des himmlischen Hofes erscheint, dann sagt man, der diesem Volke vorgesetzte (Engel) hätte im Streite gesiegt oder sei unterlegen.“
b) Ich antworte, hier müsse erwogen werden, daß das Bewegliche in einer anderen Verfassung sei, während es noch in Bewegung; und in einer anderen, wenn es am Abschlusse angelangt ist. Und wenn nun der bewegende das Princip der Bewegung allein ist, so hört die Thätigkeit desselben mit Rücksicht auf das Bewegliche auf, sobald letzteres mit der Bewegung aufhört; wie die Thätigkeit des Baumeisters aufhört, wenn das Haus gebaut ist. Ist aber der bewegende nicht die Ursache der Bewegung allein, sondern auch die Ursache der Form selber, bis zu welcher die Bewegung geht; dann hört nicht die Thätigkeit des bewegenden mit der Bewegung des Beweglichen auf, auch nachdem die Form eingeprägt ist; wie z. B. die Sonne thätig bleibt im Erleuchten der Luft, auch nachdem diese erleuchtet worden ist. Und in dieser letzten Weise verursacht in uns Gott sowohl die Tugend wie die Kenntnis; nicht allein bis wir sie erlangt haben, sondern auch so lange wir darin verharren. Danach also verursacht Gott in den Seligen die Kenntnis des zu Thuenden; nicht als ob letztere darüber in Unkenntnis wären, sondern weil seine erleuchtende Thätigkeit beständig die Fortdauer der Kenntnis dessen, was zu thun ist, verursacht. Manches aber, was nicht notwendig zum Wesen der Seligkeit gehört, kennen weder die Engel noch die seligen Menschen; nämlich was sich auf die Leitung der Dinge gemäß der göttlichen Vorsehung erstreckt. Und da ist zu berücksichtigen, daß der Geist der Seligen in anderer Weise von Gott bewegt wird wie der Geist der noch Pilgernden. Denn der letztere wird in der Weise bewegt, daß die Ängstlichkeit des vorhergehenden Zweifelns beruhigt wird, während im Geiste der Seligen mit Rücksicht auf das, was sie nicht kennen, eben ein einfaches Nichtwissen ist ohne jegliche Unruhe, von dem dann die Engel durch die Erleuchtung seitens Gottes und vermittelst der höheren Engel gereinigt werden, nach Dionysius. (7. coel. hier.) Gott um Rat fragen bedeutet bei ihnen kein Untersuchen, um den Zweifel zu verscheuchen; sondern einfach ein Zuwenden zu Gott, wie Augustin (5. sup. Gen. ad litt. 19.) schreibt: „Die Engel befragen Gott über das Niedrigere.“ Und die Erleuchtung darin seitens Gottes wird „Rat“ genannt. Danach also ist in den Seligen die Gabe des Rates, insoweit die Fortdauer ihrer Kenntnis von seiten Gottes verursacht; und der Geist darüber, was er rücksichtlich des zu Thuenden nicht weiß, erleuchtet wird.
c) I. Auch in den Seligen sind einige Thätigkeiten, die zum Zwecke hingeordnet sind oder vielmehr, die von der Erreichung des Zweckes her ausgehen; wie daß sie Gott loben oder daß sie andere zu Gott ziehen, also z. B. die Gebete der Heiligen und die Dienste der Engel. Mit Bezug darauf haben sie die Gabe des Rates. II. Das Zweifeln gehört zur Gabe des Rates hier auf dem Pilgerwege; wie ja auch die Kardinaltugenden in der Heimat nicht durchaus die gleichen Thätigkeiten haben wie auf Erden. III. Der Rat ist in Gott wie im Gebenden. Die Heiligen sind Gott gleichförmig, insoweit sie denselben empfangen.
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