Vierter Artikel. Über die Schwere der Sünde des Verfluchens im vergleiche mit der Verkleinerung.
a) Verfluchen ist eine schwerere Sünde wie verkleinern. Denn: I. Verfluchen ist eine gewisse Lästerung. Die Glosse nämlich bemerkt zu Judas 9.: „Als der Erzengel Michael mit dem Teufel stritt um den Leib des Moses, hat er nicht gewagt, das Urteil der Lästerung zu fällen.“ Hier steht Lästerung für Verfluchung. Die Lästerung aber ist eine schwerere Sünde wie die Verkleinerung. Also ist dies auch das Verfluchen. II. Der Totschlag ist eine schwerere Sünde wie die Verkleinerung. Die Verfluchung oder Verwünschung aber steht auf derselben Stufe wie der Totschlag, nach Chryfostomus (hom. 20. in Matth.): „Fluche ihm und zerstöre das Haus und lasse Alles zu Grunde gehen; in nichts bist du dann verschieden vom Mörder.“ III. Die Ursache steht höher wie das bloße Zeichen. Wer aber verflucht, verursacht Übles durch seinen Befehl; wer verkleinert, bezeichnet bloß ein bereits bestehendes Übel. Also ist verfluchen mehr Sünde wie verkleinern. Auf der anderen Seite kann man nie im guten Sinne verkleinern; verfluchen aber kann man im bösen und im guten Sinne.
b) Ich antworte, das Übel der Schuld sei schlimmer wie das der Strafe. Das erstere also aussprechen ist schlimmer wie das letztere aussprechen; wenn sonst die Art und Weise des Aussprechens die nämliche bliebe. Der schmähsüchtige, verkleinernde, der Ohrenbläser und Spötter richten sich aber auf das Verkünden der Schuld jemandes; während der verfluchende, so wie wir ihn jetzt auffassen, sich nur auf das Übel der Strafe richtet. Danach also wären die Verkleinerung und ähnliche Sünden schwerere Sünden wie das Verfluchen. Es ist jedoch dabei auch die Art und Weise des Aussprechens zu erwägen. Diese Art und Weise des Aussprechens nämlich ist nicht die gleiche. Denn die vorgenannten vier Laster sprechen nur einfach aus; der verfluchende aber befiehlt oder wünscht das Übel der Strafe. Das einfache Aussprechen des Übels der Schuld nun ist nur dann Sünde, insoweit dadurch dem Nächsten ein Unrecht zugefügt wird. Schwerwiegender aber ist es, ein Unrecht wirklich zufügen wie ein solches nur wünschen; wenn die übrigen Verhältnisse gleichbleiben. Und danach stellt sich das Verhältnis so: An und für sich ist die Verkleinerung eine schwerere Sünde wie das einfache Verfluchen, was nur einen Wunsch ausdrückt. Nur kann das Verfluchen, was mit einem Befehl verbunden ist, weil es danach etwas verursacht, schwerwiegender sein, insoweit nämlich der dadurch bewirkte Nachteil bedeutender ist als die Anschwärzung des guten Namens; und ist dieser Nachteil geringer, so ist die Sünde geringer Das Alles gilt, wenn diese Sünden an sich betrachtet werden; äußere Umstände aber können eine jede derselben schwerer oder leichter machen.
c) I. Die Kreatur als solche verfluchen, überträgt sich auf Gott, deren Urheber; und so trägt dies nach dieser Seite hin den Charakter der Lästerung. Dies ist aber nicht der Fall, wenn sie um der Schuld willen verflucht wird. II. Das Verfluchen schließt ein den Wunsch eines Übels. Wenn also jener, der verflucht, das Übel der Tötung des anderen will, so ist da die Sünde nicht verfchieden vom Totschlage; nur fügt letzterer den äußeren Akt hinzu. III. Das betrifft den Fluch, insoweit er einen Befehl einschließt.
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