Erster Artikel. Gott Opfer darbringen ist Naturgesetz.
a) Dem steht entgegen: I. Das Naturgesetz ist allen gemeinsam. Was die Opfer aber anbelangt, so wird gelesen, wie Melchisedech Brot und Wein darbrachte; die einen diese, andere jene Tiere. Da ist nichts Gemeinsames. II. Alle Gerechten beobachten das Naturgesetz. Von Isaak aber, Adam, den „die Weisheit aus seinem sündigen Zustande herausführte“ (Sap. 10) und anderen wird nicht gelesen, daß sie Opfer darbrachten. III. Nach Augustin (10. de civ. Dei 5, 6, 19.) sollen die Opfer etwas bezeichnen. Die Worte aber, welche an leitender Stelle bezeichnen (2. de doctr. christ. 3.), sind durch Übereinkunft aufgestellt in ihrer bestimmt Bezeichnung; nicht kraft der Natur sind sie bestimmte Zeichen. Also ist dies auch nicht mit dem Opfer der Fall. Auf der anderen Seite bestanden Opfer zu jeder Zeit und allen Völkern, wodurch angezeigt wird, daß Opfer vom Naturgesetze vorgeschrieben sind.
b) Ich antworte, die natürliche Vernunft diktiere dies dem Menschen, daß er einem Höheren Unterthan sei, damit er in seinen zahlreichen Schwächen und Mängeln von diesem unterstützt werde; und dieser Höhere werde überall Gott genannt. Dies diktiert nämlich die Vernunft gemäß ihrer natürlichen Hinneigung, daß sie gemäß ihrer Seinsweise diesem, was über de Menschen ist, Ehre und Unterwürfigkeit schuldet; wie ja auch von Natur die natürlichen Dinge, die tiefer stehen, den höheren unterworfen sind, kommt es der Seinsweise des Menschen zu, daß er die sinnlichen Zeichen gebrauche, um Anderes zu bezeichnen; weil er aus dem Bereiche des Sinnlichen seine Kenntnis schöpft. Und sonach geht dies von der menschlichen Vernunft aus, daß der Mensch sich sinnlicher Dinge bediene, damit er sie Gott aufopfere als Zeichen der gebührenden Ehre und Unterwürfigkeit; wir ja auch ähnlich die untergebenen ihren Herren etwas darbringen zum Zeichen, daß diesen die Herrschaft zugehört. Dies bildet nun das Wesen des Opfers und somit ist das Opfer zum Naturrechte gehörig.
c) I. Manches gehört im allgemeinen zum Naturrechte; die nähere Bestimmung desselben im einzelnen aber kommt dem positiven Rechte zu. Das Naturrecht z. B. bestimmt, daß die Übelthäter bestraft werden; aber daß sie diese oder jene Strafe erhalten, ist näher bestimmt durch das positive Recht. So ist das Opfer im allgemeinen zum Naturgesetze gehörig und deshalb findet es sich überall. Aber die einzelnen Bestimmungen darüber kommen vom positiven, entweder vom göttlichen oder menschlichen Gesetze; da ist die Verschiedenheit. II. Adam und Isaak opferten, wie ihre Zeit es mit sich brachte. So sagt Gregor (4. moral. 3.), daß bei den Alten durch das Durbringen von Opfern zuerst die Erbsünde nachgelassen wurde. Nicht aber aller Opfer der Gerechten geschieht Erwähnung in der Schrift; sondern nur derjenigen, bei denen etwas Besonderes zu bemerken war. Es kann jedoch als Grund anqegeben werden, daß von Adam nicht geschrieben steht, er hätte geopfert; damit nicht in ihm, in welchem der Ursprung der Erbsünde war, auch der Ursprung der Heiligung ausgedrückt würde. Isaak aber bezeichnete Christum, insoweit Christus Opfergabe war. Also geziemte es sich nicht, daß er hingestellt werde als opfernder. III. Die inneren Ideen durch äußere Zeichen im allgemeinen ausdrücken, ist der menschlichen Natur entsprechend; aber die nähere Bestimmung dieser Zeichen kommt vom menschlichen Übereinkommen.
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