Zweiter Artikel. Gott allein darf ein Opfer dargebracht werden.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Da ein Opfer Gott dargebracht wird, so muß es auch allen jenen dargebracht werden, welche zu Genossen der Gottheit erhoben werden. Die heiligen Menschen aber werden bis zur Teilnahme an Gottes Natur erhoben (2. Petr. 1.); und deshalb wird ihnen gesagt: „Götter seid ihr.“ (Ps. 81, 6.) Auch die Engel werden „Kinder Gottes“ genannt. Also muß diesen allen geopfert werden. II. Je höher jemand steht, desto größere Ehre gebührt ihm. Vor den Königen und Fürsten der Erde aber strecken sich die untergebenen auf den Boden nieder und bringen kostbare Gaben dar; was sicher eine weit größere Ehre besagt, als es das Opfern eines Tieres oder von sonst etwas ist. Also kann man um so mehr den Engeln und Heiligen Opfer darbringen. III. Tempel und Altäre dienen dem Darbringen von Opfern. Tempel und Altäre aber werden Heiligen und Engeln geweiht. Also soll man ihnen Opfer darbringen. Auf der anderen Seite heißt es Exod. 22.: „Wer den Göttern opfert und nicht dem Herrn allein, soll getötet werden.“
b) Ich antworte, das Opfer wolle für etwas ein Zeichen sein. Das äußerliche Opfer nun ist ein Zeichen des innerlichen, kraft dessen die Seele sich selbst Gott aufopfert, nach Ps. 50.: „Ein Opfer, Gott dargebracht, ist ein zerknirschtes Herz.“ ' Die Seele aber bringt sich Gott dar als dem Princip ihrer Erschaffung und als dem Zwecke ihrer Beseligung. Da nun gemäß dem wahren Glauben Gott allein der Schöpfer der Seelen ist und in Ihm allein unsere Seligkeit besteht, so dürfen wir Ihm allein auch das innerliche und äußerliche Opfer darbringen; „wie wir auch, wenn wir zu Ihm beten und Ihn preisen, zu Ihm unsere Worte richten, die da bezeichnen, daß wir Ihm Alles, was in unserem Herzen ist, aufopfern,“ wie Augustin sagt. (10. de civ. Dei 19.) Dies sehen wir auch im Staate,daß dem Fürsten eine besondere Ehrenbezeigung vorbehalten ist, deren Anwendung auf einen anderen das Verbrechen der Majestätsbeleidigung wäre. Und ebenso steht im Gesetze Gottes Todesstrafe darauf, wenn jemand anderen göttliche Ehre erweist.
c) I. Der Name der Gottheit wird manchen gegeben, weil sie an den Vollkommenheiten Gottes Anteil haben; nicht als ob sie Gott gleich wären. Es gebührt ihnen also nicht die gleiche Ehre. II. Der Preis des Tieres macht nichts, sondern die Bezeichnung, welche dem Opfern innewohnt. „Die Teufel freuen sich nicht am Gerüche von Leichenfett, sondern an den göttlichen Ehren.“ (Aug. l. c.) III. „Nicht den Märtyrern bauen wir Tempel, weihen wir Priester; denn nicht sie, sondern ihr Gott ist unser Gott. Der Priester sagt nicht: Dir, Petrus, opfere ich; sondern wir sagen Gott Dank für den ihnen verliehenen Sieg und ermuntern uns zu ihrer Nachfolge.“ (10 de civ. Dei 8. ult.)
