Erster Artikel. Ein Mensch ist gehalten, dem anderen zu gehorchen.
a) Dem widerspricht Folgendes: I. Dies ist gegen die Schrift (Ekkli. 15.): „Gott ließ den Menschen in der Gewalt seiner Beratung.“ II. Der göttliche Wille allein kann die Regel des menschlichen Handelns sein; denn dieser allein ist immer recht. III. Gern und frei geleistete Dienste sind am angenehmsten. Diesen Charakter verlieren aber die guten Werke, die der Mensch aus Gehorsam thut. Auf der anderen Seite heißt es Hebr. 13.: „Seid gehorsam eueren Vorgesetzten und seid ihnen unterthan.“
b) Ich antworte, wie die Thätigkeiten der Natur aus natürlichen Vermögen fließen, so die menschlichen Thätigkeiten aus dem menschlichen Willen. Im Bereiche der Natur aber mußte Ordnung sein, so daß die von Natur höheren Kräfte in Bewegung und Thätigkeit setzen die niederen. Also muß dem im Bereiche des menschlichen Thätigseins dies entsprechen, daß auf Grund göttlicher Autorität, wie dies Gott der reinen Natur bereits eingeprägt, die höheren in Bewegung setzen kraft ihres Willens die niedrigeren. Bewegen aber durch Vernunft und Willen heißt: Vorschreiben, Befehlen. Also infolge göttlicher Anordnung und Autorität müssen nach dem natürlichen und göttlichen Rechte die niedrigeren den höheren gehorsam sein. I. Das will nicht heißen, der Mensch könne Alles machen, was er will; wohl aber daß er nicht Naturnotwendigkeit in sich schließt, wie Vernunftlose, sondern aus freiem vernünftigem Willen, kraft eigenen Rat vorgeht. Also wie zu beliebiger anderer Thätigkeit muß er auch zum Gehorchen seinen Oberen gegenüber sich vom eigenen Rate bestimmen lassen. Denn „während wir einer fremden Stimme demütig gehorchen, überwinden wir uns selber im Herzen;“ sagt Gregor (ult. moral. c. 10.). II. Der göttliche Wille ist die erste Regel für Alles; und der eine vernünftige Wille ist ihm mehr nahe wie der andere je nach der von Gott bestimmten Ordnung. Der Wille des Menschen, der befiehlt, also ist die untergeordnete, abgeleitete oder erklärende Regel gegenüber der Regel des göttlichen Willens. III. „Frei gethan“ ist etwas 1. von seiten des Gewirkten, wenn jemand thut, wozu er nicht gehalten ist; — 2. von seiten des wirkenden, wenn jemand mit eigenem freien Willen etwas thut. Da nun ein Werk verdienstvoll und lobwert wird, zumal weil es aus gutem freiem Wille hervorgeht, so wird, wenn jemand gern und bereitwillig gehorcht, deshalb das entsprechende Werk nicht minder verdienstvoll; zumal bei Gott, der nicht das äußere Werk, sondern den inneren Willen wägt.
