Zweiter Artikel. Die Verschwendung ist eine Sünde.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. „Die Wurzel aller Übel ist der Geiz,“ sagt Paulus. (I. Tim. ult.) Die Verschwendung aber steht zum Geize im Gegensatze. II. Ebenso: „Den reichen dieser Welt schreibe vor … leicht vom Ihrigen mitzuteilen“ (1. Tim. ult.); was doch die Verschwender thun. III. Der Verschwender giebt leicht und ist unbesorgt um Geld und Gut. Das aber gerade rät der Heiland an (Matth. 6.): „Seid nicht bekümmert um den morgigen Tag,“ und Matth. 14.: „Verkaufe Alles, was du hast; und gieb es den armen.“ Auf der anderen Seite wird der verlorene Sohn gerade als Verschwender getadelt.
b) Ich antworte, die Tugend werde ebensogut durch das Übermaß verletzt wie durch das „zuwenig“. Die Verschwendung verstößt aber gegen die Tugend der Freigebigkeit durch das „zuviel“. Also ist sie Sünde.
c) I. Die einen sagen, der Apostel meine da den Geiz im allgemeinen, insoweit er die ungeregelte Begierde ist, aus welcher die Sünden entspringen; sei es daß sie nur als Zustand bezeichnet wird — und dann wäre sie der fomes, der Stachel des Fleisches — sei es daß sie als in thatsächlicher Wirksamkeit vorhanden gedacht wird als Begierde nach irgend einem zeitlichen Gute. In letzterem Falle entspränge auch die Verschwendung aus solchem Geize. Denn sie will ein zeitliches Gut in ungeregelter Weise; entweder nämlich will sie anderen gefallen oder wenigstens dem ungeordneten Willen genugthun im Geben. Der Apostel jedoch spricht hier vom eigentlichen Geize, wie sich aus dem Zusammenhange ergiebt. Nicht also soll gesagt werden, alle Übel kämen immer vom Geize; sondern, es gäbe kein Übel, was nicht bisweilen aus dem Geize entspränge. Und so kommt auch die Verschwendung manchmal vom Geize; wie wenn jemand verschwenderisch ausgiebt in der Absicht, die Gunst der anderen zu gewinnen, damit er von diesen Geld und Gut empfange. II. In gebührender Weifse sollen die reichen leicht vom Ihrigen mitteilen. Das thun die Verschwender nicht: „Ihr Geben ist nicht gut nicht um des Guten willen und nicht unter gebührenden Umständen. Vielmehr geben sie bisweilen bedeutend Tänzern und Schauspielern, welche besser arm wären; und den armen geben sie nichts;“ heißt es 4 Ethic. 1. III. Das Übermaß in der Verschwendung wird nicht so sehr in erster Linie beurteilt nach dem Umfange des Gegebenen; sondern weil dieses nicht unter den gehörigen Umständen bewilligt wird. Der freigebige also giebt manchmal Größeres wie der Verschwender; wenn nämlich es notwendig ist. Wer also Christo folgen will und deshalb all das Seinige giebt, damit von seinem Herzen alle überflüssige Sorge verbannt sei; der ist freigebig, nicht verschwenderisch.
