Dritter Artikel. Die Verschwendung ist keine so große sünde wie der Geiz.
a) Das Gegenteil wird behauptet. Denn: I. Durch den Geiz schadet man dem Nächsten; durch die Verschwendung sich selber; „der Verlust nämlich von Geld und Gut, wovon jemand lebt, ist gleichsam ein Nachteil für das eigene Sein.“ Schwerer aber sündigt, wer sich als wer einem anderen schadet, nach Ekkli. 14.: „Wer für sich selber verderblich ist, für wen wird dieser gut sein!“ II. Der Geiz ist eine ungeregelte Hinneigung, die oft mit etwas LobwerteM vermischt ist; denn man will bisweilen das Seine behalten, damit man nicht gezwungen sei, fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Verschwendung aber ist mit etwas Tadelnswertem vermischt, so daß wir Verschwendung den unmäßigen Leuten zuschreiben. Also ist sie eine schwerere Sünde wie der Geiz. III. Die Klugheit ist die erste moralische Tugend. Die Verschwendung aber ist mehr entgegengesetzt der Klugheit wie der Geiz. Denn prov. 21. heißt es: „Ein wünschenswerter Schatz, und Öl in der Wohnung des gerechten; der unkluge wird es verschwenden.“ Und Aristoteles (I. c.) sagt: „Ein Thor ist, der im Übermaße giebt und nichts einbekommt.“ Also ist der Geiz nicht so schlimm wie die Verschwendung. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (l. c.): „Der Verschwender ist weit besser wie der geizige.“
b) Ich antworte, an sich betrachtet sei die Verschwendung eine geringere Sünde; 1. weil der Geiz mehr im Gegensatze steht zur Freigebigkeit, deren Hauptthätigkeit das Geben ist, worin der Verschwender das Maß überschreitet; während der geizige zu viel behält und empfängt; — 2. weil der Verschwender vielen nützlich ist; der geizige niemandem, nicht einmal sich selbst; — 3. weil die Verschwendung leichter heilbar ist; denn schon das Alter vermindert sie und die Armut und Not; sonach wird der Verschwender leicht zur rechten Mitte der Tugend geleitet, deren Ähnlichkeit er bereits in sich hatte. Der geizige aber ist nicht leicht heilbar.
c) I. Der Unterschied zwischen dem Verschwender und dem geizigen kommt nicht von da her, daß man gegen sich selbst oder gegen den Nächsten fehlt. Denn der Verschwender sündigt sowohl gegen sich selbst, da er das Seinige verausgabt, wovon er leben sollte, als auch gegen den Nächsten, da er Güter verschwendet, von denen aus er für andere sorgen könnte; wie dies besonders bei den Klerikern so recht hervortritt, den Verwaltern des Kirchengutes als des Gutes der armen. Denn letztere werden um das Ihrige betrogen, wenn die Kleriker mit dem anvertrauten Gute verschwenderisch umgehen. Und ähnlich sündigt der geizige gegen andere, weil er nichts giebt und ebenso gegen sich selbst; weshalb es Ekkle. 6. heißt: „Ein Mann, dem der Herr Reichtum verliehen; und Er hat ihm nicht die Gewalt gegeben, davon zu genießen.“ Der Verschwender jedoch schadet so sich selbst und anderen daß er doch wenigstens einigen nützlich ist; wahrend der geizige weder sich selbst nützt noch den anderen; denn er wagt nicht einmal für sich selber das Seinige zu gebrauchen. II. Sprechen wir gemeinhin von den Lastern, so beurteilen wir ein jedes nach seinem eigenen inneren Wesen; wie die Verschwendung übermäßig giebt, der Geiz übermäßig zurückbehält. Daß jemand nun aus Unmäßigkeit verschwendet, dies bezeichnet bereits viele Sünden; so daß solche Verschwender auch immer schlechter werden. (4 Ethic. 1.) Daß aber der geizige kein fremdes Gut in Anspruch nehmen will, ist zwar an sich lobenswert. Aber infolge der Ursache, die ihn dazu treibt, ist es tadelnswert; denn er will von anderen nichts nehmen, damit er nicht gezwungen sei, zu geben. III. Alle Laster stehen zur Klugheit im Gegensatze. Daß also eines zu keiner anderen Tugend wie zur Klugheit im Gegensatze steht, macht es zu einem weniger schwerwiegenden.
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