Zweiter Artikel. Das Martyrium ist ein Akt der Stärke.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Martyr heißt „Zeuge“. Das betreffende Zeugnis aber wird für den Glauben Christi abgegeben, nach Act. 1.: „Ihr werdet mir Zeugen sein in Jerusalem etc.“ Und Maximus sagt: „Die Mutter des Martyrtums ist katholische Glaube, den die erlauchten Kämpfer mit ihrem Blute unterschrieben haben.“ Also ist das Martyrium ein Akt des Glaubens. II. Zum Martyrium neigt zumal die Liebe hin, nach Joh. 15.: „Eine größere Liebe hat niemand als der sein Leben giebt für feine Freunde.“ Deshalb sagt Maximus: „Die Liebe Christi siegt in den Märtyrern.“ Ein Akt aber gehört jener Tugend an, die zu ihm hinneigt. Also ist das Martyrium ein Akt der Liebe, wie ja auch nach 1. Kor. 13. es ohne Liebe unnütz ist: „Gäbe ich meinen Leib zum Brennen und hätte die Liebe nicht, würde mir das nichts nützen.“ III. Augustin sagt über Cyprian: „Leicht ist es, den Märtyrer durch eine Festfeier zu loben; groß aber, seinen Glauben und seine Geduld nachzuahmen.“ Jene Tugend aber wird bei jedem Akte gelobt, zu welcher der betreffende Akt gehört. Also ist das Martyrtum ein Akt der Geduld. Auf der anderen Seite fagt Cyprian (lib. 2. ep. 6.): „O selige Märtyrer! Mit welchen Lobeserhebungen soll ich euch feiern! O überaus starke Krieger! Wie soll ich die Stärke euerer Seele würdig feiern!“ Also ist das Martyrtum ein Akt der Stärke; denn jeder Tugendakt wird gewiesen gemäß der Tugend, welcher er zugehört.
b) Ich antworte, zur Tugend der Stärke gehöre es, den Menschen zu festigen im Guten der Tugend und zwar zumal gegen Todesgefahren im Kriege. Offenbar aber hält der Märtyrer im Martyrium fest am Guten der Tugend; er verläßt nicht aus Furcht vor dem Tode die Wahrheit und Gerechtigkeit; und dieser Tod droht von den Verfolgern im Kampfe für den Glauben. Deshalb sagt Cyprian (I. c.): „Es sah bewundernd die gegenwärtige Menge auf den himmlischen Kampf und wie inmitten des Kampfes die Knechte Christi feststanden, frei in ihren Worten, ungefchwächten Geistes, voll göttlicher Kraft.“ Offenbar Also ist das Martyrium ein Akt der Stärke, weshalb von den Märtyrern die Kirche liest: „Stark sind sie geworden im Kampfe.“
c) I. Ein Anderes im Akte der Stärke ist das Gut, in welchem der starke befestigt wird; und ein Anderes ist die Festigkeit selber, womit er den vom Guten ihn abwendenden Einflüssen widersteht. Das Erstere ist der Zweck der Stärke; Letzteres ist deren Wesen. Wie nun die Stärke als Bürgertugend die Seele festigt in der menschlichen Gerechtigkeit und um dieser willen lehrt, die Todesgefahr zu verachten; so festigt die von der verliehenen Stärke die Seele des Menschen im Gute der göttlichen Gerechtigkeit, „welche ist durch den Glauben Jesu Christi.“ (Röm. 3.) Und danach steht das Martyrium zum Glauben im Verhältnisse wie zu dem Gute und zu dem Zwecke, in welchem jemand gefestigt wird; zur Stärke wie zum Zustande, aus dessen Wesen die betreffende Thätigkeit im Märtyrer hervorgeht. II. Die Liebe neigt wie der erste und hauptsächliche Beweggrund zum Akte des Martyriums hin, also in der Weise des befehlenden; die Stärke als der thatsächlich thätige Zustand, zu dessen Wesen der Akt des Martyriums zugehörig ist. Das Letztere gehört also der Liebe an als der ordnenden Kraft, der Stärke als der den Akt hervorbringenden Kraft, demnach offenbart es beide Tugenden. Von der Liebe her wohnt ihm der Charakter des Verdienstvollen inne, so daß es ohne Liebe keinen Wert hat. III. Der hauptsächliche Akt der Stärke ist: Ertragen; und ihm entspricht das Martyrium. Und weil die Geduld diesem Akte der Stärke dient, deshalb wird auch die Geduld in den Märtyrern gelobt.
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