Sechster Artikel. Der Leib Christi war nicht in den Altvätern, als ob da etwas thatsächlich Bestimmtes gewesen wäre, was in den Leib Christi übergegangen sei.
a) Dem gegenüber wird Folgendes geltend gemacht: I. Augustin sagt (10. sup. Gen. ad litt. 19 et 20.): „Der Leib Christi war in Adam und Abraham gemäß der körperlichen Substanz,“ secundum corpulentam substantiam. II. Röm. 1. heißt es, „Christus sei gemacht worden aus dem Samen Davids dem Fleische nach.“ Der Same Davids aber ist etwas thatsächlich Bestimmtes. III. Christus ist verwandt mit dem ganzen aus Adam stammenden Menschengeschlechte. War aber sein Leib nicht gemäß etwas bestimmt und positiv Existierendem in Adam, so ist dies nicht der Fall; sondern Er ist bloß verwandt mit jenem Anderem, woraus der Stoff seines Fleisches genommen ist. Also war Christi Leib in Adam und in den Altvätern gemäß etwas thatsächlich Bestehendem. Auf der anderen Seite waren die anderen Menschen nicht in Adam gemäß einem thatsächlich abgegrenzt existierenden Stoffe, sondern nur gemäß dem Ursprünge (1. Kap. 119, Art. 2 ad IV.). Also war auch Christus nicht in dieser Weise in Adam oder den Altvätern.
b) Ich antworte; der Stoff für den Leib Christi war nicht Fleisch und Bein aus der seligsten Jungfrau und nicht etwas thatsächlich einen bestimmten Teil des Körpers Ausmachendes; sondern Blut, welches dem Vermögen nach Fleisch ist und somit Fleisch werden kann. Was auch immer aber in Maria als von den Eltern Empfangenes sich fand, das war thatsächlich ein bestimmter Teil des Körpers Mariä. Also was die seligste Jungfrau von den Eltern empfangen hatte, war nicht Stoff für den Leib Christi. Und demgemäß muß man sagen, der Leib Christi sei nicht in Adam oder anderen Vorvätern gewesen wie etwas thatsächlich Bestehendes, so zwar daß man erklären könnte, dieser bestimmte Teil im Körper Adams oder eines anderen Vorvaters sei der Teil gewesen, aus dem geformt werden würde der Körper Christi; sondern letzterer war da bloß gemäß dem Ursprünge wie auch das Fleisch aller anderen Menschen. Denn der Leib Christi hatte Beziehung zu Adam und den anderen Vorvätern vermittelst des Leibes seiner Mutter. In keiner anderen Weise also war derselbe da wie der Leib seiner Mutter, der da nicht so daselbst sich fand, daß er aus einem bestimmt in Adam bereits existierenden Teile geformt worden wäre; wie dies auch nicht der Fall war mit den Körpern der anderen Menschen (siehe I. c.).
c) I. Der Ausdruck Augustins ist dahin zu verstehen, daß die körperliche Substanz des Leibes Christi, also der Stoff, den Er aus Maria nahm, in Adam war wie im thätig wirksamen, die Fortpflanzung bethätigenden Princip; und nicht wie in einem Erstlingsstoffe, der fertig dagestanden wäre. Nämlich durch die wirksam zeugende Kraft Adams und der anderen Vorväter, die von Adam stammten, bis zu Maria hinab, ist es geschehen, daß der Stoff vorbereitet wurde für die Empfängnis des Körpers Christi. Nicht aber war jener Stoff bereits in Adam thatsächlich geformt und somit bestehend, der etwa dann durch die Kraft des Samens von Adam her abgeleitet worden wäre bis zu Christo, damit er zu dessen Körper erwüchse. Und deshalb sagt man, Christus sei in Adam gewesen gemäß der körperlichen Substanz; nicht aber als ob Er durch die wirkende Kraft des Samens von Adam stamme. II. Nicht der Leib Christi, aber der Leib Mariä war in Adam gemäß der thätig zeugenden Kraft des Samens; denn er ward empfangen aus dem Samen eines Mannes. Also vermittelst Maria leitete sich der Stoff allein (nicht die wirkende formende Kraft) in Christo von David ab; so daß Er in der Weise des Ursprungs aus dem Samen Davids stammte. III. Christus ist verwandt dem menschlichen Geschlechte gemäß der Ähnlichkeit in der Wesensgattung. Eine solche Ähnlichkeit aber wird erwogen nicht gemäß einem fernliegenden Stoffe, sondern gemäß dem zunächst liegenden, unmittelbaren und gemäß dem wirkenden Princip, was da zeugt etwas sich selbst Ähnliches. Diese Verwandtschaft wird nun in Christo genügend aufrechtgehalten dadurch, daß der Leib Christi geformt worden ist aus dem Blute der Jungfrau, das da in seinem Ursprünge stammte von Adam und den anderen Vorvätern. Hier kommt es nicht darauf an, von woher des weiteren sonst noch der Stoff für dieses Blut genommen sei; wie auch bei der Zeugung der anderen Menschen nichts daran liegt (I. Kap. 118, Art. 1.)
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