Vierter Artikel. Jedes Sakrament ist eine sinnlich wahrnehmbare Sache.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Nach 2. Priorum c. penult. et ult. (Aristot.) „ist jede Wirkung ein Zeichen für die Ursache.“ Es giebt aber auch Wirkungen, die nur dem vernünftigen Verständnisse zugänglich sind; wie das Wissen eine Wirkung des regelrechten Beweises ist. Da nun für den Charakter eines Sakramentes es genügt, daß es das Zeichen einer heiligen Sache sei, soweit danach im Menschen die Heiligung bewirkt wird; so ist dafür nicht erfordert, daß es etwas sinnlich Wahrnehmbares vorstelle. II. Die Sakramente gehören zum Kulte oder zur Verehrung Gottes. „Gott aber ist ein Geist; und die Ihn anbeten, sollen Ihn im Geiste und in der Wahrheit anbeten,“ nach Joh. 4.; und nach Röm. 14. „ist das Reich Gottes nicht Speise und Trank.“ Also wird nichts sinnlich Wahrnehmbares zu einem Sakramente erfordert. III. Nach Augustin (2. de lib. arbitr. 18. et 19.) „sind die sinnlich wahrnehmbaren Dinge die geringsten Güter, ohne welche der Mensch recht leben kann.“ Die Sakramente aber sind zum menschlichen Leben notwendig. Also gehört dazu nichts sinnlich Wahrnehmbares. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (tract. 80. in Joan.): „Das Wort tritt zum Element und es wird ein Sakrament;“ wo er vom Wasser spricht.
b) Ich antworte, für jedes Wesen sehe die göttliche Weisheit vor gemäß der Seinsweise desselben, nach Sap. 8.: „Sie ordnet Alles mit Milde;“ und nach Matth. 25.: „Er gab einem jeden gemäß der Kraft desselben.“ Nun ist es dem Menschen so recht naturgemäß, daß er durch sinnlich Wahrnehmbares aufsteigt zum Verständnisse des Geistigen; und ein Zeichen ist eben alles das, wodurch man zur Kenntnis von etwas Anderem kommt. Da also die heiligen Dinge, welche durch die Sakramente bezeichnet werden, geistig sind und rein der Vernunft angemessen, da ferner durch sie der Mensch geheiligt wird; so folgt, daß durch einige sinnlich wahrnehmbaren Dinge die Bezeichnung des Sakramentes vollendet werde; wie ja auch durch Bilder und Figuren, die den Sinnen zugänglich sind, in der Schrift das Verständnis des Geistigen eröffnet wird.
c) I. Jegliches Ding wird begrifflich bestimmt und danach benannt, insoweit etwas demselben an sich, der inneren Natur nach nämlich und ohne Bedingung, unabhängig von allem Anderen; nicht aber insoweit etwas ihm nur wegen etwas Anderem zukommt. Nun kommt es der inneren Natur der sinnlich wahrnehmbaren Wirkung zu, daß sie, als zuerst und an und für sich dem Menschen bekannt werdend, zur Kenntnis von etwas Anderem führt, weil all unser Erkennen vom Sinne anfängt. Die rein geistigen Wirkungen aber haben dies nicht an und für sich, daß sie zur Kenntnis von etwas Anderem führen können, außer insoweit sie durch Anderes offenkundig werden d. h. durch etwas sinnlich Wahrnehmbares. Daher kommt es, daß an erster Stelle und hauptsächlich Zeichen genannt werden die den Sinnen zugänglichen Dinge, welche nach Augustin „außer ihrer den Sinnen dargebotenen Form noch etwas Anderes erkennbar machen.“ Die rein der Vernunft zugänglichen Wirkungen aber müssen erst offenbar geworden sein durch einige Zeichen, sollen sie selber Zeichen sein. Und so werden Sakramente allerdings genannt auch nicht sinnlich wahrnehmbare Dinge, insoweit sie durch sinnlich wahrnehmbare Zeichen offenbar geworden sind (vgl. Kap. 63.). II. Als Zeichen geistiger Dinge nur, nicht nach ihrer Natur, gehören sinnlich wahrnehmbare Dinge zum Kulte oder zur Verehrung Gottes. III. Augustin spricht von den sinnlichen Dingen in ihrer Natur betrachtet. Soweit sie Geistiges bezeichnen, sind sie sehr hohe Güter.
