1.
O mein Gott, du meine unendliche, unermeßliche, unbegrenzte Weisheit, erhaben über allen Verstand der Engel und Menschen! O Liebe, die mich mehr liebt, als ich selbst mich zu lieben vermag und ich es begreifen kann! Warum, o Herr, will ich mehr verlangen, als du mir geben willst? Warum will ich mich abmühen, dich um etwas meinem Verlangen Entsprechendes zu bitten, da du das Ziel alles dessen kennst, was mein Verstand erdenken und mein Wille verlangen kann, ich aber nicht weiß, wie ich es benützen soll. Vielleicht würde mir das, wordurch meine Seele zu gewinnen meint, nur zum Verderben gereichen. Was bedeutet meine Bitte, o mein Gott, wenn ich dich um Befreiung von einem Leiden bitte, und gerade dieses Leiden meine Abtötung zum Zwecke hat? Um was bitte ich dann, o mein Gott? Bitte ich dich um Leiden, so ertrüge es vielleicht meine schwache Geduld nicht, und ich könnte einen solchen Schlag nicht aushalten. Könnte ich’s aber mit
Geduld ertragen, wäre aber meine Demut nicht fest genug, so würde ich vielleicht dem Wahne verfallen, ich selbst hätte etwas geleistet, da doch du, o mein Gott, alles vollbringst. Will ich mehr leiden, so wünschte ich nicht, daß es in Dingen geschehe, in denen es wegen deines Dienstes nicht gut scheint, daß ich mein Ansehen einbüße, wenn ich auch für mich keine Neigung zu eigener Ehre zu fühlen glaube. Aber gerade das, wodurch ich zu verlieren meine, kann mir Gewinn bringen in Hinsicht auf das von mir angestrebte Ziel, nämlich dir zu dienen.
