8.
Soll unsere Rede sich auch an Samuel wagen? Indem wir in allem Übrigen dem Propheten den Vorzug einräumen, werden wir zeigen, daß in zwei Punkten, die von ihm erzählt werden, auch unser Lehrer ihm ähnlich ist. Die Geburt Beider war ein Gottesgeschenk. Denn wie Jenen die Mutter, so erhielt auch Diesen der Vater durch Gebet zu Gott zum Sohne. Und als er einst, da er noch im Jünglingsalter stand, von einer tödtlichen Krankheit ergriffen wurde, sah der Vater im Traume den Herrn erscheinen, der im Evangelium dem königlichen Beamten seinen Sohn schenkte, der zu ihm gleichfalls sprach, wie einst der Herr zu Jenem gesprochen hat: „Gehe hin, dein Sohn lebt.“1 Und da er im Glauben ihn nachahmte, so erntete er die gleiche Frucht vom Glauben, indem er die Rettung des Sohnes von der Güte des Herrn erlangte. Das ist das Erste, was wir den Wundern des Samuel an die Seite setzen. Das Zweite aber ist, daß von Beiden die gleiche Art des Opfers besorgt wurde. Friedensopfer brachten Beide Gott dar, indem sie für die Vernichtung der Feinde opferten, nur daß der Eine für die Ausrottung der Häresien, der Andere gegen die Feinde es that.
S. 417 Der große Moses ist Allen als gemeinsames Beispiel hingestellt. die nach der Tugend trachten. Und man dürfte nicht fehlen, wenn man die Tugend des Gesetzgebers zum Ziele seines eigenen Lebens macht. Es wird also gewiß keinen Tadel verdienen, von unserm Lehrer nachzuweisen, daß er den Gesetzgeber im Leben nachahmte, so weit er es vermochte. Worin fand nun die Nachahmung statt? Eine ägyptische Königstochter nimmt den Moses an Kindesstatt an und läßt ihn in der einheimischen Weisheit unterrichten, ohne daß er der Mutterbrust entzogen war, so lange das erste Alter der Verabreichung dieser Nahrung bedurfte. Dieß Zeugniß legt die Wahrheit auch für den Lehrer ab. Denn erzogen in der heidnischen Weisheit lag er stets an der Brust der Kirche, indem seine Seele an ihren Lehren heranwuchs und zur Reife kam. Es verleugnete Moses hierauf die erdichtete Verwandtschaft mit der vorgeblichen Mutter. Auch Dieser ertrug es nicht lange, für Das zu gelten, dessen er sich schämte. Denn nachdem er den ganzen Ruhm der heidnischen Gelehrsamkeit abgeschüttelt hatte, wie Jener die Königswürde, ging er zum niedrigen Leben über, wie auch Moses die Hebräer höher achtete als die ägyptischen Schätze. Da aber die Natur an Jedem ihre Thätigkeit äussert, ― denn das Fleisch eines Jeden verlangt gegen den Geist,2 ― so stand auch Dieser nicht ausserhalb des Kampfes mit der ägyptischen Vernunft, den sie gegen die reine unternahm, sondern indem er der besseren zu Hilfe kam, tödtete er die, welche mit Unrecht sich gegen die hebräische erhob. Die hebräische Vernunft ist aber die gereinigte und unbefleckte. Denn indem sie durch die Abtödtung der irdischen Glieder der Seele zu Hilfe kommt, ahmt sie die muthige That des Moses nach, die er gegen den Ägyptier vollbrachte.3 Wir müssen aber Vieles von der Geschichte übergehen, damit es die Ohren nicht zu sehr belästigt, wenn wir Alles genau S. 418 auseinandersetzen wollten, was die Schrift von Moses enthält, und worin eine Ähnlichkeit des Lehrers mit dem Gesetzgeber stattfand.
Moses verließ Ägypten nach dem Tode des Ägyptiers und brachte inzwischen eine lange Zeit in der Einsamkeit zu.4 Auch Dieser verließ das Geräusch der Stadt und den bekannten Lärm der Aussenwelt und lebte in der Zurückgezogenheit, in Betrachtungen mit Gott beschäftigt. Jenem leuchtete das Licht im Dornbusch.5 Wir können Etwas, was jenem Gesichte ähnlich ist, auch von Diesem anführen. Bei Nacht nämlich wurde ihm eine Lichterscheinung zu Theil, als er im Hause betete. Es war aber dieses Licht etwas Immaterielles, das durch göttliche Kraft das Haus erleuchtete und durch keinen materiellen Gegenstand unterhalten wurde. Es rettet Moses das Volk und befreit es vom Tyrannen. Es bezeugt das Gleiche von unserm heutigen Gesetzgeber dieses Volk, das er durch das Priesterthum zur Verheissung Gottes führte. Und wozu soll man im Einzelnen anführen, wie Viele auch er durch das Wasser führte, wie Vielen er im Worte mit der Feuersäule voranleuchtete, wie Viele er durch die Wolke des Geistes rettete, wie Viele er mit der himmlischen Nahrung nährte, wie er den Felsen nachahmte, an dem einst mit dem Holze dem Wasser der Weg eröffnet, das heißt, dessen Mund einst von der Gestalt des Kreuzes berührt wurde, wie er die Durstenden mit jenem Wasser tränkte und in der Menge des Zuflusses die Abgründe nachahmte, was für ein Zelt des Zeugnisses er und zwar in körperlicher Weise in der Vorstadt erbaute,6 und wie er durch die gute Lehre bewirkte, daß die Armen dem Leibe nach auch dem Geiste nach arm wurden, so daß sie wegen ihrer Armuth glücklich zu S. 419 preisen waren, da sie ihnen die Gnade des wahren Reiches verschaffte. Er machte die Seele eines Jeden durch das Wort zu einem wahren Zelte, daß Gott darin wohnen konnte, und errichtete in ihm einige Säulen, ― ich verstehe unter den Säulen, die den Mühen der Tugend zur Stütze dienen, die Gedanken, ― in gleicher Weise Waschkannen, um die Befleckungen der Seele abzuwaschen, indem sie durch das Wasser der Augen den Schmutz wegspülten. Wie viele Leuchter brachte er in der Seele eines Jeden an, indem er durch das Wort das Verborgene erleuchtete. Wie viele Rauchgefäße der Gebete und wie viele Altäre ließ er aus reinem und unverfälschtem Golde herstellen, das heißt aus der wahren und reinen Gesinnung, wo nicht das schwere Blei des eitlen Ruhmes den Glanz der Thaten verdunkelte! Wozu soll ich reden von der mystischen Arche, die er einem Jeden baute, indem er die Tafeln des Bundes, die mit dem Finger Gottes geschrieben waren, in der Seele niederlegte? Ich sage aber das im Hinblick darauf, daß er das Herz eines Jeden zu einer Arche machte, welche die geistigen Geheimnisse umfaßt, die das geschriebene Gesetz, welches durch die Thätigkeit des Geistes in den Werken niedergeschrieben ist, in sich schließt, ― denn das bedeutet der Finger Gottes, ― in welcher auch der Stab des Priesterthums immer seine Frucht trieb und durch die Theilnahme an den Heiligungen aufsproßte und der Krug vom Manna nicht leer wurde. Denn dann wird das Gefäß der Seele von der himmlischen Nahrung leer, wenn die Sünde dazwischen tritt und den Zufluß des Manna verhindert. Das Manna aber ist himmlisches Brod.
