76.
1. ERMAHNUNG (νουθέτησις) ist ein fürsorglicher Tadel, der zum Nachdenken nötigt. Von solcher Art ist der Erzieher, wenn er ermahnt, wie auch, wenn er im Evangelium sagt: „Wie oft wollte ich deine Kinder sammeln, in der Weise wie eine Henne ihre Küchlein unter ihre Flügel sammelt, und ihr wolltet nicht.“ 1 Wiederum ermahnt auch die Schrift, wenn sie sagt: „Und sie trieben Ehebruch mit dem Holz und dem Stein und S. 272 räucherten dem Baal.“ 2
2. Denn der größte Beweis seiner Menschenliebe ist, daß er, obwohl er die Schamlosigkeit des Volkes genau kennt, das wie ein Pferd hinten ausschlug und durchging, trotzdem zur Sinnesänderung auffordert und durch Ezechiel sagt: „Menschensohn, du wohnst mitten unter Skorpionen; doch sprich zu ihnen, ob sie dich vielleicht hören!“ 3
3. Aber auch zu Moses sagt er: „Gehe hin und sage Pharao, daß er das Volk entlasse! Ich weiß aber, daß er es nicht entlassen wird.“ 4 Denn beides offenbart er hier, sowohl seine Göttlichkeit, insofern er vorausweiß, was geschehen wird, als auch seine Menschenliebe, insofern er dem freien Willen der Seele die Möglichkeit zur Sinnesänderung schenkt.
4. Er ermahnt aber auch durch Jesaias aus Fürsorge für das Volk, wenn er sagt: „Dieses Volk ehrt mich mit seinen Lippen; aber sein Herz ist fern von mir“ (dies ist ein Tadel, der das Unrecht vor Augen hält); „vergebens ehren sie mich, da sie Lehren lehren, die Menschengebote sind.“ 5 Hier zeigt die Fürsorge, die die Sünde offenbar machte, in gleicher Weise auch die Rettung.
Matth. 23, 37 (Luk. 13, 34). ↩
Vgl. Jer. 3, 9; 7, 9; 39 (32), 29. – In der Septuaginta und dementsprechend auch bei Clemens steht bei Baal der Artikel des Femininums τῇ Βάαλ, Dabei ist nicht etwa an eine mannweibliche Gottheit zu denken; vielmehr steht der weibliche Artikel nur, weil die hellenistischen Juden statt Βάαλ das Wort αἰσχύνη lasen, wie auch die Juden für בַּעַל das Wort בּׂשֶׁת (Schande) einsetzten; vgl. Dillmann, Über Baal mit dem weiblichen Artikel, Monatsber. d. Berl. Akad., Philos.-hist. Kl. 1881, S. 601–620. ↩
Ezech. 2, 6 f. ↩
Vgl. Exod. 3, 18 f. ↩
Is. 29, 13 (Matth. 15, 8 f.; Mark. 7, 6 f.). ↩
