5.
Und so wenden sie (= die gläubigen Seelen) ihre ganze Liebe dem Herrn zu und verschmähen alles, nur auf ihn harren sie in heißem Verlangen, Hunger und Durst, unablässig erwarten sie die Erquickung und den Trost der Gnade, in keinem Dinge dieser Welt finden sie Trost und Erquickung, freiwillig sind sie gefesselt. Vielmehr streiten sie stets wider die weltlichen Gedanken, sie warten einzig und allein auf die Hilfe und den Beistand Gottes. Mit den Seelen, die solchen Eifer, solche Entschiedenheit und Geduld bezeigen, lebt indessen der Herr selbst schon verborgen zusammen, unterstützt und schützt sie und befestigt jede Tugendfrucht. Mögen sie auch in Leiden und Bedrängnis sein, mögen sie Wahrheitserkenntnis und Seelenerleuchtung besitzen, sie haben doch noch nicht die [volle] Gnade des Geistes und S. 252 die Erquickung des himmlischen Gnadengeschenkes erlangt und in Gewißheit diese verkostet. Denn unaussprechlich ist die Weisheit Gottes und unbeschreiblich sind seine Gerichte1. Auf verschiedene Weise prüft er die gläubigen Seelen und schaut auf die Liebe, die freiem Willensentschlusse entspringt. Denn es gibt Grenzen, Maße und Grade in der freien, möglichen Selbstbestimmung und in der freiwilligen, möglichen Liebe und Neigung zu allen seinen heiligen Geboten. Und so werden die Seelen, die das Maß ihrer Liebe und Pflicht vollmachen, des Reiches und des ewigen Lebens gewürdigt.
Röm. 11, 33. ↩
