4.
Der Maler schaut auf das Antlitz des Königs und malt. Ist das Angesicht des Königs dem Maler zugekehrt, so daß es auf ihn hinsieht, so malt jener das Bild leicht und schön nach dem Leben. Wendet er (= der König) aber das Angesicht von ihm weg, so kann er nicht malen, weil jener nicht auf den Maler hinschaut. S. 257 Ebenso malt auch Christus, der treffliche Maler, in die, die an ihn glauben und immerdar auf ihn schauen, alsbald nach seinem Bilde einen himmlischen Menschen. Aus seinem eigenen Geiste, aus seinem unaussprechlichen Lichtwesen selbst malt er ein himmlisches Bild und gibt der Seele ihren edlen, guten Bräutigam1. Hat darum jemand seinen Blick nicht beständig auf ihn gerichtet und sieht über alles (andere) hinweg, so wird der Herr sein Bild aus seinem Lichte nicht in ihn malen. Deshalb müssen wir unverwandten Blickes auf ihn sehen, [an ihn] glauben, ihn lieben, alles entfernen und zu ihm uns wenden, auf daß er sein eigenes, himmlisches Bild male und es unseren Seelen einpräge, damit wir so als Träger Christi ewiges Leben erlangen und hiermit in voller Gewißheit Ruhe finden.
Dieser Vergleich ist, wie Stiglmayr (Theologie und Glaube, III [1911] 279) bemerkt, wohl direkt aus Gregor von Nyssa (In cant. cant. hom. 15 Migne, P. G. XLIV 1093) entlehnt. Gregor führt aus, in einer getreuen Zeichnung könne man das Original erkennen. Dieses Gleichnis soll den Gedanken illustrieren, daß die sündenreine Seele dem göttlichen Urbild ähnlich sei. Dieser allgemeinen Fassung gibt nun unser Autor „ein viel konkreteres und höfisches Relief“. Stiglmayr in Stimmen aus Maria-Laach B. 80 (1911) 424. ↩
