2.
„Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser, das unter dem Himmel ist, an einem Sammelort, und es komme zum Vorschein das Trockene. Und also ward es; es sammelte sich das Wasser, das unter dem Himmel war, in seinen Sammelbecken, und es kam zum Vorschein das Trockene. Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Ansammlungen der Wasser nannte er Meere1.” Wieviel machtest du mir in den früheren Vorträgen zu schaffen, da du die Erklärung dafür haben wolltest, wie die Erde unsichtbar sein konnte, da doch jeder Körper von Natur seine Farbe hat, jede Farbe aber dem Auge sichtbar ist. Vielleicht schien dich auch unsere Erklärung nicht zu befriedigen, wornach die Erde mit Bezug auf u n s, nicht mit Bezug auf die Natur „unsichtbar” genannt ward, (mit Bezug auf uns), weil eben damals eine Oberschicht Wasser die ganze Erde bedeckte. Wohlan, höre jetzt die Schrift, wie sie sich selbst erklärt. „Es sollen sich sammeln die Wasser, und es komme das Trockene zum Vorschein!” Die Decke wird nun zusammengezogen, damit die bis dahin unsichtbare Erde sichtbar werde. Vielleicht möchte der eine oder andere auch noch folgendes wissen wollen. S. 62 Erstens, warum wird die schon rein natürliche Abwärtsbewegung des Wassers hier im Bericht noch auf einen besonderen Befehl des Schöpfers zurückgeführt? Solange das Wasser auf einer horizontalen Ebene liegt, steht es still, weil es nirgends hinfließen kann. Sobald es aber auf abschüssiges Terrain kommt, gerät das vordere Wasser sofort in Bewegung, und das mit ihm zusammenhängende tritt sofort an seine Stelle und so immer weiter: wie das vordere Wasser entweicht, drängt das folgende nach. Und der Lauf wird um so schneller, je schwerer das abfließende Wasser und je tiefer gelegen der Ort, wohin es fließt. Hat nun das Wasser dieses Naturgesetz, dann war doch der Befehl, sich an einem Sammelort zu sammeln, überflüssig. Denn es wäre jedenfalls dank einer natürlichen Tiefenrichtung von selbst an den tieferen Ort geflossen und hätte nicht eher Halt gemacht, als bis das gleiche Niveau wieder hergestellt gewesen wäre. Denn keine Ebene ist so gleichmäßig, wie die Oberfläche des Wassers. - Zweitens sagt man: Wie konnte den Wassern befohlen worden sein, in ein Sammelbecken zu fließen, wo doch viele Meere zu sehen sind, die durch sehr große Zwischenräume voneinander getrennt sind.
Auf die erste Frage antworten wir folgendes: Du hast doch sicher erst nach dem Befehle des Herrn die Bewegungen des Wassers kennen gelernt, daß es nämlich überall hinfließt, unstet ist und von Natur abschüssigen und hohlen Räumen zustrebt. Ob es aber vordem diese Kraft hatte, d. h. bevor ihm durch diesen Befehl der Lauf angewiesen war, das hast du weder selbst gesehen noch hast du darüber einen Augenzeugen gehört. So denk doch, daß Gottes Stimme die Schöpferin der Natur ist, und daß der damals an die Schöpfung ergangene Befehl den Kreaturen die Norm für die Zukunft gab. Tag und Nacht wurden ein für allemal erschaffen, und seitdem lösen sie sich bis heute noch ab und teilen immerfort die Zeit in gleiche Teile.
Gen 1,9-10 ↩
