3.
„Es sollen sich sammeln die Wasser.” Damit erhielt die Substanz des Wassers den Betehl zu laufen, und wird nie müde, von jenem Befehl unablässig getrieben. S. 63 Dies behaupte ich in Hinsicht des fließenden Teils der Gewässer. Denn die einen fließen ganz von selbst, wie die Quellen und Flüsse, die anderen Gewässer bleiben beisammen und fließen nicht ab. Doch eben rede ich von den fließenden Gewässern. „Es sollen die Wasser sich sammeln an einem Sammelort.” Hast du jemals, stehend an einer Quelle, aus der reichliches Wasser floß, darüber nachgedacht, wer dieses Wasser aus dem Schoße der Erde hervorsprudeln läßt, wer es dann weiter forttreibt, aus welchen Behältern es entspringt, wohin es eilt, woher es kommt, daß jene Behälter nie leer und die Sammelbecken nie voll werden? Das hängt an jenem ersten Worte. Von diesem ward dem Wasser der Lauf gegeben.
Bei jeder Erwähnung von Wassern erinnere dich jener ersten Stimme: „Es sollen sich sammeln die Wasser!” Sie mußten laufen, um an ihren Platz zu kommen, und an den ihnen angewiesenen Orten angekommen, mußten sie dort beieinander verbleiben und durften nicht weiter wandern. Daher heißt es beim Prediger: „Alle Flüsse laufen in das Meer, und das Meer wird nicht voll1.” Denn sowohl das Fließen der Wasser hängt vom göttlichen Befehle ab wie das Verbleiben des Meeres innerhalb seiner Schranken, von jenem ersten Gebot: „Es sammeln sich die Wasser an einem Sammelort!” Damit nicht das fließende Wasser über seine Aufnahmestellen hinaus sich ergieße und immer weiter sich ausbreitend einen Ort um den andern anfülle und schließlich das ganze Festland überschwemme, wurde ihm geboten, „an einem Sammelort sich zu sammeln”. Das ist der Grund, weshalb das von Winden oft aufgepeitschte, rasende und seine Wogen zur höchsten Höhe auftürmende Meer, sobald es nur das Gestade berührt, sein Toben in Schaum auflöst und zurückprallt. „Werdet ihr mich nicht fürchten, spricht der Herr, der ich dem Meere Land als Grenze gesetzt habe2?” Mit dem allerschwächsten Dinge, mit Sand, wird das aller Gewalt spottende Meer gebändigt. Was würde sonst das Rote S. 64 Meer abhalten, das ganze, tiefer liegende Ägypten3 zu überschwemmen und sich mit dem Ägypten angrenzenden Meere zu vereinigen, wenn es nicht durch jenen Befehl des Schöpfers gebunden wäre? Denn daß Ägypten tiefer liegt als das Rote Meer, haben uns in der Tat die bewiesen, die das Ägyptische und Indische Meer, zu dem das Rote Meer gehört, miteinander verbinden wollten4. Daher stand sowohl der Ägypter Sesostris5, der zuerst den Versuch machte, als auch der Meder Darius, der später sich ans Werk machen wollte, vom Vorhaben ab. Das habe ich gesagt, damit wir einsehen sollten die Wirkung des Gebotes: „Es sollen sich sammeln die Wasser an einem Sammelort”, d. h. nach dieser Sammlung soll keine andere mehr statthaben, vielmehr soll das Gesammelte in der ersten Sammlung verbleiben.
Eccl 1,7 ↩
Jer 5,22 ↩
Basilius folgt auch bei dieser geographischen Angabe Aristoteles (Meterol. I,14). ↩
vgl. Plinius, hist. Nat. VI. 28 ↩
Wohl Rhamses II., König von Ägypten. Aristoteles (Meteorol. I,14) ist hier wieder des Basilius Gewährsmann. - Vgl. Plinius 1. c. VI,83. Durch den Suezkanal ist heute jenes Projekt verwirklicht. ↩
