§ 3.
1) Der erste Gegenstand mystischer Betrachtung ist der Rundgang des inzensierenden Bischofs durch die Kirche. 2) Hierin liegt ein Sinnbild der göttlichen Güte, welche ihre Gaben, gleichwie die Sonne ihre Strahlen, eilen, welche die geeignete Empfänglichkeit besitzen, gerne mitteilt, ohne daß sie selbst aus ihrer eigenen seligen Ruhe heraustritt. 3) Ähnlich entfaltet sich auch die heilige Eucharistie in eine bunte, bildhafte Darstellung des Göttlichen, obgleich sie in sich selbst einig und einfach ist, und führt hinwieder die Menge der Teilnehmer in Eins zusammen. 4) Drittens finden wir die Andeutung, daß der Bischof auch sein eigenes geeintes, heiliges Wissen den Untergebenen unter einer Fülle von Bildern und Gleichnissen mitteilt und sofort wieder, in sich selbst gesammelt und von den niederen Dingen losgelöst, zur einheitlichen, geistlichen Betrachtung der Ideenwelt zu- S. 124 rückkehrt, welche den sichtbaren Ritushandlungen zu Grunde liegt.
Wir müssen nunmehr meines Erachtens in das Innere des Allheiligen eintreten, indem wir den Sinn des ersten Zeremonienbildes1 enthüllen, zu seiner gottgleichen Schönheit unverwandt emporblicken und auf den Hierarch sehen, wie er gotterfüllt von dem Altare Gottes hinweg bis zu den äußersten Enden des Tempels mit dem Wohlgeruch (des Räucherwerks) wandelt und den Rundgang vollendend wieder zum Altare zurückkehrt2. Auch die über alles erhabene urgöttliche Seligkeit geht zwar in göttlicher Güte aus sich selbst hervor, um mit denen, die an ihren heiligen Gaben teilnehmen, Gemeinschaft zu schließen; gleichwohl tritt sie aus ihrer wesenhaften, unbeweglichen Ruhe und Stetigkeit nicht heraus. Allen, welche Gottes Bild in sich tragen, sendet sie in entsprechenden Maßen ihre Strahlen zu und verbleibt doch in Wirklichkeit in sich selbst, ohne dem eigenen Sichselbstgleichsein im mindesten entrückt zu werden.
Auch das göttliche Sakrament der Eucharistie wird auf ähnliche Weise, obschon es einen eingestaltigen, einfachen und in Eins geschlossenen Urquell hat, aus Liebe zu den Menschen in die heilige, bunte Fülle der sinnbildlichen Zeremonien entfaltet und läßt sich zur ganzen bildhaften Darstellung des Urgöttlichen herab. Aber eingestaltig wird es aus dieser Vielheit wieder in sein eige- S. 125 nes Eine3 konzentriert und führt auch alle, welche zu ihm sich heilig erheben, ins Eine zusammen.
Auf dieselbe gottähnliche Weise läßt auch der göttliche Hierarch seine einfache Wissenschaft des hierarchischen Amtes gütig den Untergebenen zukommen, indem er sich der zahlreichen Menge von Gleichnissen bedient. Dann aber kehrt er wieder, losgelöst und von den geringern Dingen nicht gefesselt, ohne irgend eine Einbuße zu erleiden zu seinem eigenen Urgrund zurück und vollzieht den geistigen Eintritt in sein eigenes Eine. Und dabei sieht er in reinem Lichte die einheitlichen Ideen des sakramentalen Ritus, da er das Endziel seines menschenfreundlichen Hervortretens in die niedere Welt zu einer noch göttlicheren Rückkehr zum Höchsten gestaltet.
Vgl. e. h. IV, 3, 2. Die im Mysterienkulte eine so wichtige Rolle spielenden „Götterbilder“ (ἀγάλματα) dienen den Neuplatonikern zum Vergleiche, um den Glanz, der von ihren sublimen Lehren für den Eingeweihten ausstrahlt, zu veranschaulichen. D. erkennt in den Bildern der liturgischen Aktion solche ἀγάλματα, von denen man durch mystische Deutung den Schleier wegziehen muß, um ihren tiefen Sinn aufglänzen zu lassen. (Vgl. Koch, a. a. O. § 24.) Vgl. über den metaphorischen Sinn von ἄγαλμα φιλοσοφίας (der Bischof), ἀ. ἀρετῆς (Tugendbild) Suicer s. v. ↩
Den Rundgang des Bischofs, Gottes Wesen und Wirken, das Geheimnis der Eucharistie, ihre Segnungen und liturgischen Zeichen, die Heilstätigkeit des Bischofs — alles sieht D. in dem einen Ternarkonzept; μονή — πρόοδος — ἐπιστροφή. Vgl. unten IV, 3, 3. ↩
Eine sehr schwierige Stelle τὴν εἰς τὸ ἕν ἑαυτοῦ νοερᾶν ποιησάμενος εἴσοδον. Das ἕν ist nach D. ein zweifaches, das eine ist das absolute, göttliche Eine, das andere ein geschaffenes, dem göttlichen nachgebildetes Eine (ἑνοειδές). Plotin und noch häufiger Proklus reden ebenfalls in gleichen Ausdrücken von einem solchen doppelten ἕν der Gottheit und der Menschenseele. Für das letztere gebraucht Proklus die Ausdrücke: oberste Spitze, Blüte, Höchstes, Eins-Sein der Seele; er will damit von einer höchsten, dünnsten, feinsten Spitze ihres geistigen Wesens sprechen, mit der sie am weitesten aus allem Materiellen herausragt und am nächsten an das Eine der Gottheit hinaufreicht. D. ist von dieser Auffassungsweise beeinflußt, wenn er will, daß der Mensch das nach außen ergossene bunte Spiel seiner Seelenkräfte nach innen konzentrieren, seinem ἕν konform machen soll, damit dieses dann mit dem göttlichen ἕν erfüllt und durchleuchtet werde, gleichsam daran stoße, wie ein Blinder mit geschlossenen Augen (e. h. IV, 3, 3; d. d. n. IV, 1; th. m. I, 1). Vgl. „das Fünklein“, das „oberste Zweiglein“, das „gottgleiche Bild“ der Seele bei den mittelalterlichen Mystikern, besonders Eckart (unten Kap. IV, 3, 4.) ↩
