§ 5.
1) Der Psalmengesang geht voraus, um durch seine Harmonie eine harmonische Seelenverfassung in uns für die folgenden Akte der Liturgie vorzubereiten. 2) Daran schließt sich die Lesung der Evangelienberichte, in welchen der dunklere Inhalt des alten Testamentes deutlicher aufgehellt wird. 3) Angemessen und weise hat die Hierarchie diese Aufeinanderfolge der neutestamentlichen Schriften nach dem alten Testament angeordnet, weil sich jene zu diesem wie Prophezeiung zur Erfüllung verhalten.
Wenn nun der das gesamte Heilswerk umfassende Gesang unsere seelische Verfassung harmonisch für die liturgischen Akte gestimmt hat, die bald nachher vollzogen werden sollen, und durch den Einklang der göttlichen Lieder die Eintracht der Herzen mit dem Göttlichen, mit uns selbst und mit unsern Nebenmenschen gleichwie in einem übereinstimmenden Reigenchor geregelt hat1, dann wird der mehr gedrängte und dunkle Inhalt der tiefsinnigen, heiligen Psalmensprache in den heiligen Lesungen der inspirierten Berichte vermittels zahlreicherer Bilder und Aussprüche weiter ausgeführt. Ein heiliges Auge wird bei diesen Lesungen die eine und einartige Inspiration2 erkennen, wie sie ja von dem einen urgöttlichen Geiste ausgegangen ist. Daher wird auch angemessener Weise auf Erden erst nach der älteren Offenbarung das neue Testament verkündet und die S. 128 gotterfüllte, hierarchische Ordnung will hiemit, wie ich glaube, andeuten, daß jene die künftigen Gottestaten Jesu berichtete, dieses aber sie erfüllte, daß jene die Wahrheit in Bildern zeichnete, dieses aber die erschienene Wahrheit zeigte. Denn die Richtigkeit der Vorhersagungen des alten Bundes ist durch die vollendete Erfüllung im neuen Bunde bestätigt worden und des Gotteswortes Krone und Vollendung ist die Gottestat.
Vgl. Ign. v. Ant. ad Ephes. 4 mit auffälligen Anklängen; ferner Athan. ep. ad Marcell. n. 27 (M. 27, 40 A.) τῇ τῶν θείων ᾠδῶν ὁμοφωνίᾳ D. = μίαν τὴν συμφωνίαν … ὁμολόγῳ χορείᾳ, Athan. ↩
Corderius hat im kritischen Apparat die Lesart ἔμπνευσιν, welche zweifellos eher in den Text gehört als das von ihm rezipierte σύμπνοιαν. Denn zu σύμπνοια ist das doppelte Attribut ἑνοειδής und μία gar zu überflüssig. Maximus hat ebenfalls ἔμπνευσιν (inspiratio) gelesen M. s. gr. 4, 140 B. ↩
