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S. 266 Wir wollen den Begriff der Gottnachbildlichkeit noch genauer bestimmen. Ist etwa der Leib Gottes Nachbild? Ist Gott demnach Erde? Der Leib ist ja Erde. Ist Gott demnach körperlich? Ist er gebrechlich wie der Leib und Leiden unterworfen? Vielleicht dünkt dir das Haupt Gott ähnlich, weil es zur Höhe ragt, oder die Augen, weil sie sehen, oder die Ohren, weil sie hören? Was die Höhe betrifft: sind wir denn so riesengroß, weil wir mit dem Scheitel ein bißchen über den Boden emporragen? Doch schämen wir uns nicht, uns deshalb gottähnlich zu nennen, weil wir etwas höher gewachsen sind als die Schlangen und die übrigen Kriechtiere oder als die Rehe und Schafe oder die Wölfe? Wie weit übertreffen uns nach dieser Seite die Kamele und Elefanten an Wuchs! Etwas Großartiges gewiß ist es um das Auge, um das Schauen der Dinge in der Welt, um das Wissen von etwas, was niemand berichten braucht, sondern dein Blick selbst erreicht! Doch wieviel ist das, was unser Auge sieht, daß wir uns deshalb schon Gott ähnlich nennen wollen, der alles sieht, alles schaut, die himmlischen Regungen der Seele wahrnimmt, das Verborgene des Herzens erforscht? Müßte ich mich S. 267 nicht schämen, das zu sagen, nachdem ich doch nicht einmal mich selbst ganz sehen kann? Was vor meinen Füßen liegt, sehe ich, was hinter meinem Rücken, kann ich nicht sehen. Meinen Nacken kenne ich nicht, desgleichen nicht den Hinterkopf, nicht vermag ich meine Nieren zu sehen. Ähnlich verhält es sich mit dem Gehr. Was einigermaßen entfernt ist, vermag ich nicht zu sehen und zu hören. Ist eine Wand dazwischen, ist der Blick, ist das Gehör abgeschnitten. Außerdem ist unser Leib an einen bestimmten Ort gebunden, an einen engen Raum gefesselt; jedes Tier bewegt sich freier, jedes auch schneller als der Mensch.
