2. (1. Cap.) Die Bischöfe oder Kleriker dürfen in der Kirche nicht mit Mänteln und umgürteten Lenden ihr Amt versehen.
Wir erfuhren nemlich, daß einige Bischöfe des Herrn vielmehr einem abergläubischen Dienste als der Reinheit des Geistes und Glaubens ergeben sind. Aber man darf sich nicht wundern, wenn die gegen die kirchliche Sitte handeln, welche nicht in der Kirche aufgewachsen sind,1 sondern die, weil sie von einer andern Lebensweise2 kommen, die Gewohnheiten ihrer früheren Lebensart in die Kirche mitbrachten; sie bekleiden sich mit dem Mantel und umgürten ihre Lenden, 3 weil sie glauben, sie könnten die Lehre der hl. Schrift nicht durch den Geist, sondern durch den Buchstaben erfüllen. Denn wenn diese Gebote dazu (gegeben) sind, um auf solche Weise beobachtet zu werden, warum geschieht nicht auch das Folgende, daß auch brennende Lampen zugleich mit dem Stabe4 in den Händen gehalten werden ? Diese (Worte) S. 390 haben ihren geheimen Sinn 5 und sind denen, welche sie verstehen, so klar, daß sie mehr in jener Bedeutung, welche sich ziemt, beobachtet werden. Denn durch die Umgürtung der Lenden wird die Keuschheit, durch den Stab die Hirtengewalt, durch die brennenden Lampen der Glanz des guten Werkes angezeigt, von dem es heißt:6 „Lasset euere Werke leuchten." Jene Tracht 7 mögen allenfalls mehr der Sitten als einem Grunde folgend Diejenigen haben, welche in entfernteren Orten und fern von den Übrigen leben. Woher diese Kleidertracht in den Kirchen Galliens, daß eine durch so viele Jahre und von so vielen Bischöfen bewahrte Gewohnheit umgeändert wird? Man soll uns vom Volke oder von den Übrigen durch Gelehrtheit, nicht durch das Kleid, durch den Lebenswandel, nicht durch den Anzug, durch die Reinheit des Geistes, nicht durch die Tracht unterscheiden (können). Denn wenn wir anfangen, auf Neuerungen zu sinnen, so werden wir die von den Vätern überlieferte Ordnung verachten, um einem überflüssigen Aberglauben Raum zu schaffen. Wir dürfen also den ungebildeten Sinn der Gläubigen zu so Etwas nicht verleiten; man muß sie mehr lehren als mit ihnen spielen. Auch darf man nicht ihren Augen imponiren, sondern ihrem Geiste die Gebote einprä- S. 391 gen. Es gäbe zwar Vieles, was wir für die kirchliche Disciplin oder gerade für diesen Punct anführen könnten, aber wir werden von Diesem auf Anderes zurückgerufen.
D. i. nicht im kirchlichen Dienste, als Kleriker; nicht etwa: ausser der Kirche in der Häresie oder im Schisma. ↩
Alio e ritu, offenbar monastico dazu zu denken, da die Städte der genannten Provinzen Galliens damals ihre Bischöfe aus den Mönchen zu wählen pflegten. ↩
Amicti pallio et lumbos praecincti; damit ist jedenfalls die den Mönchen eigenthümliche Kleidung gemeint (nicht etwa das pallium philosophicum, das P. Damasus im Briefe an Acholius habitus idoli nennt; s. Briefe der Päpste II. S. 316 Note 4). Hiernach dürfte es Vorschrift gewesen sein, daß Mönche, wenn sie Bischöfe wurden, ihr Mönchsgewand gänzlich ablegen mussten. ↩
D. i. dem bischöflichen Hirenstabe; der Sinn ist: gleichwie es unpassend und unnöthig wäre, wenn Bischöfe nebst ihrem Hirtenstabe noch brennende Lampen in den Händen tragen würden, um dem Buchstaben des Evangeliums zu genügen, ebenso unpassend und überflüssig ist für sie das Tragen der Mönchskleidung. ↩
Mysterium. ↩
Matth. 5, 16. ↩
Während die Kleidung der ersten Mönche in Form und Stoff von der der übrigen Christen verschieden war (s. Binterim, Denkwürd. III. 2. S. 428 ff), unterschieden sich vielleicht die Kleriker von den Laien weder im Privatleben noch selbst bei den gottesdienstlichen Functionen (nur wurde hier auf die größte Reinlichkeit gedrungen) in den ersten fünf Jahrhunderten durch eine besondere Tracht; übrigens lassen sich gute Gründe auch für die gegentheilige Ansicht anführen, daß die Kleriker wenigstens bei der Liturgie von ihnen eigenthümliche Amtskleidung hatten, wogegen obige Stelle keineswegs spricht. ↩
