Inhaltsangabe
Die Überschrift „Die drei Gattungen von Opfern“ findet sich nur in einer späten Handschrift und mit ihr in der ältesten Venetianerausgäbe. In andern Handschriften trägt der Traktat lediglich die Überschrift „Ein weiterer Traktat„, und andere Ausgaben gaben ihm die Bezeichnung „Zum 49. Psalm“. Die Herausgeber Gebrüder Ballerini und ihnen folgend Giuliari behielten den Titel S. 176 „Die drei Gattungen von Opfern“ bei. Er hat eine gewisse Berechtigung; denn der Traktat geht zwar vom 49. Psalm aus und sucht in Kapitel 1 aus Vers 7 und Vers 12 dieses Psalmes die Gottheit Christi zu beweisen, benutzt aber sodann die Sätze: „Opfere Gott ein Opfer des Lobes und bringe dem Allerhöchsten deine Gelübde dar„ (Vers 12), um von dem wahren christlichen Opfer zu sprechen. Der Prediger unterscheidet drei Gattungen von Opfern: das Opfer der Heiden, der Juden und der Christen. Das Opfer der Heiden ist verabscheuenswert und zugleich töricht, weil es leblosen Götterbildern beziehungsweise Dämonen gilt (Kap. 2). Auch die Opfer der Juden hat Gott, wie sich aus Stellen der Hl. Schrift ergibt, verworfen (Kap. 3). Gott wohlgefällig ist das Opfer der Christen, das schon bei Malachias angedeutet ist und das unter dem „Opfer des Lobes“ des 49. Psalmes verstanden ist (Kap. 4), Die Eigenart dieses Opfers liegt darin, daß es ein geistiges Opfer ist. Es muß aber auch mit reinem Geist dargebracht werden (Kap. 5). Demnach kann auch das Opfer von Christen nicht Gott wohlgefällig sein, die auf ihren Gütern noch heidnische Opfer dulden, die heidnischen Gebräuchen huldigen, die durch Unsittlichkeit, Zorn, Hartherzigkeit fehlen oder die reine christliche Lehre mit heidnischen Bestandteilen mischen. Der Traktat klingt aus in die Mahnung zum reinen Opfer (Kap. 6).
Verwertet sind in ihm Gedanken von Tertullian (Ad-versus Judaeos) und den Institutionen des Laktantius (Üb. VI, c. 23; epitome institutionum c. 53). Vermuten darf man vielleicht, daß er auch eine Erklärung des 49. Psalmes im Psalmenkommentar des Hilarius benützte, die verlorengegangen ist.
Die Anrede „Novelle disce Christiane„ (Kap. 2) und „Dulcissimi flores mei“ (Kap. 6) scheint darauf hinzuweisen, daß der Traktat vor den Neugetauften gehalten wurde; und nur sein größerer Umfang bestimmte die Ballerini (und Giuliari), ihn nicht den im zweiten Buch ver- S. 177 einigten Taufreden anzufügen, sondern ihn in das erste Buch einzureihen. Aber andrerseits wählt der Prediger auch andere Anreden (Fratres dilectissimi, Christiani), und Ausführungen wie in Kap. 6 gelten sicher Gemeindemitgliedern, die schon längere Zeit Christen sind. Bei der Betonung der Unterscheidung von drei Opfergattungen mochte er sich besonders an die anwesenden „no-velli Christiani„ wenden; als „flores dulcissimi“ konnte ein Bischof seine sämtlichen, zum großen Teil durch ihn dem Christentum zugeführten Zuhörer bezeichnen.
