Kap. 8. Die erste Voraussetzung des christlichen Gebets ist die Einheit und Einmütigkeit, mit der jeder einzelne nicht nur für sich, sondern für alle bittet.
Vor allem wollte der Lehrer des Friedens und der Erzieher zur Einheit nicht haben, daß wir unser Gebet einzeln und besonders verrichten, so daß etwa einer, wenn er betet, nur für sich allein betete. Wir sagen nicht: „M e i n Vater, der Du bist im Himmel„, auch nicht: „M e i n Brot gib mir heute“, und ebensowenig fleht der einzelne nur für sich um Vergebung seiner Schuld oder bittet für sich allein, nur e r möge nicht in Versuchung geführt, nur e r möge von dem Übel erlöst werden. Öffentlich ist unser Gebet, und es gilt allen; und wenn wir beten, so beten wir nicht für einen einzigen, sondern für das ganze Volk, weil wir alle eins sind. Gott, der Lehrmeister des Friedens und der Eintracht, der die Einheit gelehrt hat, wollte, daß ebenso einer für alle bete, wie er selbst alle in einem getragen hat. Diese Vorschrift für das Gebet beobachteten die drei im Feuerofen eingeschlossenen Jünglinge, die in ihrem Flehen übereinstimmten und in der Eintracht ihres Geistes einmütig waren. Das beweist der S. 172 glaubwürdige Bericht der göttlichen Schrift, und indem sie lehrt, wie diese Jünglinge gebetet haben, gibt sie uns ein Beispiel, das wir beim Beten nachahmen sollen, damit auch wir ihnen ähnlich werden können. „Darauf„, sagt sie, „sangen jene drei wie aus einem Munde einen Lobgesang und priesen Gott“1 . Sie sprachen „wie aus einem Munde„, und doch hatte Christus sie noch nicht beten gelehrt. Und die Worte der Betenden waren deshalb erfolgreich und wirksam, weil das friedfertige, schlichte und geistliche Gebet die Huld des Herrn gewann. Ebenso haben auch, wie wir finden, die Apostel mit den Jüngern nach der Himmelfahrt des Herrn gebetet. „Sie verharrten“, heißt es, „alle einmütig im Gebete mit den Frauen und Maria, die Jesu Mutter gewesen war, und mit seinen Brüdern„2 . „Sie verharrten im Gebete einmütig“, indem sie durch die Dringlichkeit und zugleich durch die Eintracht ihres Gebetes zeigten, daß Gott, der nur Einmütige im Hause wohnen läßt3 , auch in die göttliche und ewige Behausung nur solche zuläßt, die ihr Gebet einmütig verrichten.
