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Summe der Theologie
Zweiundfünfstigstes Kapitel. Verhältnis der Engel zum Orte. Überleitung.
„Die Gerechten werden glänzen und wie Feuerfunken im trockenen Schilfrohr herumwandeln.“ (Sap. 3.) So beschreibt der heilige Geist selber das Verhältnis der im hervorragenden Sinne „Gerechten“, der heiligen Engel nämlich, die da nicht, wie es bei uns der Fall ist, in ihrer Natur bereits einen Sitz der Ungerechtigkeit haben, zur stofflichen Welt. Lichtglanz gießen sie aus über die Schöpfung von den erhabenen Himmelskörpern her; und mit der Schnelligkeit und verzehrenden Gewalt von Feuerfunken richten sie mit unbeugsamer Gewalt ihre wirkende Kraft bald dahin, bald dorthin. Nicht als ob der Stoff sie anziehe und sie bei ihm bleiben wollten! Nein; nicht einen Augenblick hält sie stoffliche Schönheit auf; nicht einen Augenblick ruhen sie. „Er hat seine Boten zu Geistern gemacht und seine Diener zu Feuersflammen.“ „Nur was Gott ihnen gebietet, das thun sie immer.“ Nur wohin Gott sie richtet, dahin richten auch sie sich. Rein bewegend sind sie; sie werden nicht im mindesten von Körperlichen aus bestimmt. Rein wirkend sind sie mit Rücksicht auf den Stoff; ihr Wirken wird nicht im mindesten von diesem beeinflußt. Gott allein ist die Grenze ihres Seins; Gott allein ist die bestimmende Kraft ihres Wirkens; nach unten ist ihr Sein und ihr Wirken endlos. Die moderne Philosophie, die Naturwissenschaft, haben die reinen Geister aus der Schöpfung verbannt. Die Abteilung der Lehre des heiligen Thomas, eine der schönsten, welche von der Verbindung der Geisterwelt mit dem Körperlichen handelt, ist gerade jene, die man vorzugsweise als eine nicht mehr zeitgemäße hinstellt. Aber man kann nicht einen so hervorragenden Teil aus der Schöpfung herausreißen, ohne daß sich dies bitter rächt. Die moderne Philosophie kommt aus den Widersprüchen nicht mehr heraus. Die moderne Naturwissenschaft sieht auf allen Seiten „Rätsel“. Den Realismus stellt die eine weit umfassende Richtung der modernen Philosophie an die Spitze; den Idealismus die andere. Beide verlaufen sich, weil sie getrennt voneinander ihren Weg verfolgen, in Abgründe, woraus keine Rückkehr mehr möglich ist. Realismus und Idealismus gehören zusammen. Oder arbeitet nicht im Baumeister der Realismus Hand in Hand mit dem reinsten Idealismus? Herrscht nicht der Künstler über die besondere Zusammenfügung der Steine, über die Gestaltung der Rundbogen, die Einrichtung von Zimmern und Sälen, so daß ein recht realistisches Gebäude entsteht? Und wonach herrscht er? Nach seiner unsichtbaren, tief im Innern verborgenen Idee. Der Realismus führt wie zu seiner maßgebenden Richtschnur zum Idealismus. Ist er getrennt, so ist er nichts Reales mehr, sondern Einbildung. Der Künstler, welcher Fleisch malt anstatt eines Menschen, zeichnet nichts Reales; eine solche Kreatur existiert nicht in der realen Welt. In der realen Welt ist der Mensch durch die Idee belebt. Wer wirklich Reales malen will, der muß Künstler sein. Er muß die Idee, welche außen waltet, in sich erzeugt haben. Die Frische der Farben in der Pflanze, der poetische Duft, der sie umhüllt, die unberührbare Zartheit ihres ganzen Seins, ihr anmutiges vielgestaltetes inneres Leben; das alles ist einmal in der Wirklichkeit da. Die reale Pflanze trägt dies in sich. Sie trägt die Spuren, das Bild einer Idee. Wer diese Idee in sich nicht irgendwie wieder zu erzeugen vermag, der kann die Pflanze, wie sie in Wirklichkeit ist, nicht malen; er kann ihre Schönheit vielleicht bewundern, nicht sie in Stein ausmeißeln. Aus seinem Werke wird nicht das herausatmen, was von der Pflanze aus wirklich und wahrhaft sich in den Geist hineindrängt. Der wahre Künstler trägt das nicht hinein; er weiß es aber heraus zu schöpfen. Der wirklich bestehende Realismus erzeugt in ihm das Ideal; und das Ideal zeugt wieder das wirkliche Kunstwerk. Wir sträuben uns manchmal so sehr gegen die Geisterwelt. Aber wohin flüchtet sie sich, wenn wir uns dagegen abschließen? Sie vergilt Böses mit Gutem. Sie zaubert uns Schönheiten in die Welt hinein, welche auch das trübste Auge trösten und erheitern. Oder was thut denn der Dichter, wenn er in den heiligen Augenblick der inneren Begeisterung alles da draußen als belebt sieht; wenn ihm die Sonne lächelt, das Bächlein murrt, das Veilchen sich verbirgt? Er verdichtet in seinem Geiste; er läßt da Gestalt annehmen die Ideen, welche draußen die Dinge leiten und ihnen ihr lebensvolles Äußere geben! Wie schön, wie anmutsvoll wird die Welt für das reine, kindliche Herz, wenn da Elfen über die Geschicke der Menschen wachen, Nymphen die Geheimnisse der Natur behüten, mitleidsvolle Feen zur Hilfe dem Armen bereit stehen! Gleichsam einen Zauber webt diese Poesie um die Schöpfung. Aber sie offenbart nur jenes geheime Getriebe in einer dem Menschen zugänglichen Weise, das in thatsächlicher Wirklichkeit da außen den Werken der stofflichen Natur ihre Richtung, ihren inneren Gehalt und Wert verleiht. „Glänzen werden die Gerechten: und wie Feuerfunken herumfliegen in trockenem Schilfe.“ Der Glanz der seligen Engel, welche nach den von Gott ihnen verliehenen Ideen alles Einzelne im Stoffe nach Gottes Willen leiten, kann sich gar nicht verbergen. Willst du ihn aus der Philosophie herausjagen, so flüchtet er zur Kunst; und die Ideen, welche du als leitende außen in den Dingen nicht anerkennen willst, sie erzeugen ihre Ähnlichkeit im gottbegnadeten Künstler. Von der strengen Beweisordnung willst du die Engel ausgeschlossen wissen; nur um so mehr erscheint die Schönheit ihrer Natur, die Schönheiten der Ideen, nach welchen die Welt geleitet wird, im Kinde, dem Künstler par excellence, für welches überall Leben ist, das überall höhere leitende Wesen sieht; um so mehr erscheint die Schönheit der Engelwelt in erhabenen Kunstwerken. Die Kunst macht gut, was die Wissenschaft gesündigt. Sie verbindet Realismus mit Idealismus, um endlich durch beides hindurch zur reinsten Idee, die in sich allein alle Wirklichkeit, alles Reale enthält, zu gelangen. „Rätsel“ sieht überall der moderne Naturgelehrte! Und er scheint sich dessen am Ende zu rühmen. Wenn nur diese Rätsel nicht von der blinden Natur aufgegeben wären; während doch Rätselaufgeben wesentlich von einer überlegenen Vernunft kommt! Die „Rätsel“ der modernen Naturwissenschaft sind eben wieder die größten Rätsel; d. h. sie sind der Widerspruch in seiner höchsten Potenz. Der moderne Naturgelehrte will überall Rätsel sehen; und leugnet die einzige Kraft, nämlich die über alle Natur erhabene Vernunft, welche doch allein der ganzen Natur Rätsel aufgeben kann. Wollte er nur nicht vor rein geistigen stofflosen Kräften so viel Abscheu haben; — die Rätsel würden sich vermindern und die reinste All-Vernunft nur in so höherem Lichte strahlen. Was ist denn das: Elektricität, Magnetismus, Wärme u. s. w.? Was sind das für Kräfte? Niemand weiß es zu sagen; und doch operiert man damit fortwährend und alles soll damit erklärt werden. Man durchforscht und durchmißt ihre Wirkungen, kennt aber von ihrer Natur nur, was sie nicht sind. Das erlösende Wort für diese ganze Richtung der Wissenschaft ist: der Äther; das will sagen eine Ausdehnung, die unausgedehnt ist; eine Schwere ohne Gewicht; ein Überall und Nirgends; ein Sichtbares, was unsichtbar ist; ein oben und unten begrenztes Unermeßliche; — das soll dastehen als erklärendes Princip der Naturereignisse, mit einem Worte das sonderbarste Hirngespinst (so wie nämlich in der modernen Wissenschaft das Wort gebraucht wird), das jemals in den Köpfen der Menschen herumgespukt hat; die Personifizierung aller „Rätselthorheit“. Die moderne Richtung scheint es gar nicht zu ahnen, daß sie mit ihrem „Äther“ sich unaussprechlich lächerlich macht. Mit der ernstesten Miene von der Welt löst sie alle Schwierigkeiten mit diesem einen Worte, von dem sie selbst gesteht, sie kenne den Inhalt, das Wesen des Äthers nicht. So wahr ist schließlich der Satz, daß die Natur das innere Wesen dessen, der alles beherrscht, nicht zu erkennen vermag! In allem spiegelt sich das wieder. Daß die moderne Naturwissenschaft doch an die Stelle des Wortes „Äther“ in ihrem Sinne allwirkende Kraft Gottes setze, der da aller Stoff unterliegt. Daß sie die Elektricität, den Magnetismus mit allen ihren Unterarten annehme als die Bereitwilligkeit des Stoffes, der bewegenden Gewalt geistiger in der Welt waltender Kräfte zu dienen; und zwar in um so höheren Grade zu dienen als die besonderen Bestimmungen in den einzelnen Geschöpfen von ihm entfernt werden und er nur als bestimmbar, nur als Vermögen, um etwas zu werden, erscheine; — und daß sie als bestimmende Kraft, damit einzelnes werde, rein geistige Kräfte bezeichne, welche durch die Kraft ihrer Idee bestimmen zu jenem Einzelnen, was der urleitenden göttlichen Idee entspricht. Die Naturwissenschaft wird dann Freiheit, Selbständigkeit selbst in den Lauf der Natur hineinbringen. Bewegt denn in uns nicht die Idee den körperlichen Stoff; und ist nicht ein Mensch dann um so lebendiger, je mehr seine körperliche Konstitution zart ist und somit der Bewegungskraft der Idee zugänglicher erscheint, weil sie als Körperliches weniger in sich bestimmt ist. Warum sollen substantielle Ideen also allgemeine stoffliche Kräfte nicht in Bewegung setzen können? Nach Gründen, nach idealen lebendigen Formen wird dann die Natur mit allen ihren stofflichen Gesetzen gebildet und in Thätigkeit sein; — ein Kunstwerk, wovon die höchste göttliche Idee das Ideal in sich hat und wovon wieder geistige selbstbewußte Kräfte bis zum Menschen und seiner Vernunft hinab die Entwicklung leiten in allen ihren Teilen, sowohl in den allgemeineren als in den beschränkteren, immer unter der allwaltenden Kraft Gottes. Dann wird die Naturwissenschaft im Bunde mit der Philosophie und der Kunst sich erheben, um nicht mehr blinde Naturgewalt, nicht mehr hindernde Schwierigkeit, nicht mehr nur Rätsel und knechtischen Realismus als Endergebnis ihrer Arbeiten zu finden. Überall werden ihr Gründe entgegenstrahlen von dem, was geschieht. Bis zum letzten Grunde wird sie vordringen, in dem alles Reale Idee und alle Idee Wirklichkeit dem ganzen Wesen nach ist. Glanz und Schönheit wird ihr entgegentreten von allen Seiten. Lichtfunken wird der Menschengeist sehen überall im trockenen Stoffe; Lichtfunken, die da immer wieder von neuem die Trägheit des Stoffes verzehren, überallhin Thätigkeit und Leben verbreiten; denn sie kommen von jenen einzig „Gerechten, die da rein glänzen“ in ihrer Natur, ohne den mindesten Flecken in sich zu tragen und von denen ohne Aufhören überallhin wie „Feuerfunken im trockenen Schilfe die bewegende Wirksamkeit unermüdlich ausstrahlt“; denn unabänderlich sind sie verbunden durch die Kraft der allleuchtenden „Sonne der Gerechtigkeit“.
Edition
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Summa theologiae
Prooemium
Iª q. 52 pr.
Deinde quaeritur de loco Angeli. Et circa hoc quaeruntur tria. Primo, utrum Angelus sit in loco. Secundo, utrum possit esse in pluribus locis simul. Tertio, utrum plures Angeli possint esse in eodem loco.