Sechster Artikel. Es kann etwas im allgemeinen gehaßt werden.
a) Dagegen spricht: I. Der Haß ist eine Leidenschaft, also im sinnlichen Teile. Somit kann sein Gegenstand nichts Allgemeines sein, da der Sinn nichts Allgemeines, sondern nur Besonderheiten oder Beschränktes erkennt. II. Der Haß wird verursacht von einem Widerstreit, welcher der Allgemeinheit gerade entgegen steht. Also nichts Allgemeines kann gehaßt werden. III. Der Gegenstand des Hasses ist das Übel. Das Übel aber ist in den thatsächlich bestehenden Dingen und nicht in der vernünftigen Auffassung (6 Metaph). Da also das Allgemeine allein in der Vernunft ist, welche abzieht das Allgemeine vom Einzelnen, Besonderen, kann nichts im allgemeinen Gegenstand des Hasses sein. Auf der anderen Seite schreibt Aristoteles (2 Rhet. 4.): „Der Zorn erstreckt sich stets auf etwas Besonderes, der Haß aber geht auch auf das Allgemeine, auf die ganze „Art“; den Dieb z. B. und den Verleumder haßt ein jeder.“
b) Ich antworte, vom Allgemeinen könne man in doppelter Weise sprechen: einmal soweit der allgemeine Begriff geformt wird und demnach direkt die Allgemeinheit als etwas Abstraktes berücksichtigt ist; — dann soweit man die Natur in concreto betrachtet, der ein solch allgemeiner Begriff zukommt. Denn ein anderes ist es, zu erwägen den Begriff „Menschheit“ homo universalis, humanitas; und etwas anderes ist es zu erwägen, was dem Menschen überhaupt als Menschen zukommt. In der erstgenannten Weise betrachtet ist das Allgemeine durchaus und allein eigen der Vernunft und kommt in keiner Weise einer Sinneskraft zu; da dieses Allgemeine eben gebildet wird durch Losschälung von den Einzelverhältnissen, wogegen der Sinn für seine Thätigkeit gerade in diesen Einzelverhältnissen seine Wurzel hat. Es kann jedoch eine Sinneskraft, sei es eine begehrende sei es eine auffassende, auf etwas sich richten in allgemeiner Weise; wie wir z. B. sagen, der Gegenstand der Sehkraft sei im allgemeinen oder überhaupt die Farbe; nicht als ob die allgemeine Art „Farbe“ Gegenstand der Sehkraft sei, sondern weil, daß die Farbe erkennbar ist von seiten des Auges, ihr nicht zukommt, insoweit sie diese bestimmte Farbe, weiß oder schwarz, sondern insoweit sie eben schlechthin Farbe ist. So also kann der Haß, auch des sinnlichen Teiles, auf ein Allgemeines sich richten, weil infolge der allgemeinen Natur in einem Dinge Manches dem sinnlichen Wesen zuwider ist und nicht bloß infolge eines besonderen Umstandes. Der Wolf ist z. B. dem Lamme zuwider; und somit haßt das Lamm den Wolf im allgemeinen. Der Zorn aber wird immer von etwas Besonderem verursacht. Denn er rührt her von der Thätigkeit des Verletzenden. Alle Thätigkeiten aber vollziehen sich inmitten besonderer Verhältnisse. Der Haß nun im vernünftigen Teile folgt der Erfassung des Allgemeinen und kann deshalb auf beide Weisen sein Gegenstand das Allgemeine sein.
c) I. Der Sinn erfaßt nicht das Allgemeine als Allgemeines. Er erfaßt aber etwas, zu dem die Allgemeinheit vermittelst der Abstraktion oder Losschälung vom Einzelnen seitens der Vernunft hinzutritt. II. Was allen Dingen gemeinsam ist, kann nicht Gegenstand des Hasses sein. Es kann jedoch etwas vielen Dingen gemeinsam sein, was andererseits zu etwas Anderem in Gegensatz steht; und so ist es geeignet, gehaßt zu weiden. III. Dieser Einwurf spricht vom allgemeinen Begriffe als etwas Erfaßtem.
