Fünfter Artikel. Der Tod und andere körperliche Übel sind Wirkungen der Sünde.
a) Dies wird bestritten aus folgenden Gründen: I. Wo die Ursache gleich ist, müssen auch die Wirkungen gleich sein. Derartige körperliche Mängel aber sind in den einen mehr, in den anderen minder; da doch die Erbsünde gleichermaßen in allen ist, von welcher hauptsächlich alle diese Wirkungen kommen sollen. Also sind diese körperlichen Mängel keine Wirkung der Sünde. II. Die Taufe oder die Buße entfernt die Sünde. Also müßten damit auch die Übel entfernt werden, wenn sie Wirkungen der Sünde wären. III. Die persönliche Sünde trägt mehr den Charakter der Schuld wie die Erbsünde. Die erstere aber verändert nicht die Natur des Körpers zu einem Mangel hin. Also thut dies noch weniger die Erbsünde. Auf der anderen Seite heißt es Röm. 5.: „Durch die Sünde der Tod.“
b) Ich antworte, daß der Tod und ähnliche Mängel am Körper nicht zwar an und für sich von dem Sünder bewirkt sind, denn sie sind nicht beabsichtigt vom Sünder und seine Kraft richtet sich deshalb nicht auf sie; — wohl aber folgen sie nebenbei der Sünde, außerhalb der Absicht des Sünders; denn die Sünde verursacht sie wie etwas, was die Hindernisse entfernt. Wie also wer eine Säule umwirft nebenbei auch die Ursache ist, daß der Stein, der auf der Säule lag und den die Säule hinderte, herabzufallen, nun herabfällt, weil das Hindernis entfernt worden; — so ist die Sünde des ersten Stammvaters Ursache aller Mängel in der körperlichen Natur des Menschen und Ursache des Todes, insofern sie das Hindernis dafür, die Ungerechtigkeit, entfernte, wodurch nicht nur die niederen Kräfte zusammengehalten wurden, daß sie der Vernunft gehorchten, sondern auch der Körper dermaßen der Seele Unterthan war, daß sich in ihm kein Mangel fand. Dem gemäß ist die menschliche Natur durch die Sünde verwundet worden mit Rücksicht auf die Unordnung in den Vermögen; und das Band ward gelöst, welches den Körper der Seele unterwarf, so daß er nun allem Verderben und selbst dem Tode ausgesetzt ist. Die Entziehung der Ungerechtigkeit aber, wie die Entziehung der Gnade haben den Charakter der Strafe; und somit sind der Tod und die sonstigen körperlichen Mängel ebenfalls gewisse Strafen der Erbsünde. Sie sind also nicht beabsichtigt vom Sünder, wohl aber geregelt durch die Gerechtigkeit des strafenden Gottes.
c) I. Die Gleichmäßigkeit in jenen Ursachen, welche ein Hindernis entfernen, zeigt nicht die Gleichmäßigkeit in den entsprechenden Wirkungen an. Denn wer mit gleicher Kraft zwei Säulen umstürzt, ist nicht gleichermaßen die Ursache, daß die darauf liegenden Steine gleichmäßig fallen. Vielmehr wird jener Stein schneller fallen, welcher schwerer ist. Nachdem also das Hindernis, die Urgerechtigkeit, entfernt ist, erscheint der menschliche Körper sich selbst überlassen; und jener ist sonach den besagten Mängeln mehr ausgesetzt, dessen Körper kraft seiner natürlichen Komplexion denselben mehr zugänglich ist, trotzdem die Erbsünde überall als die gleiche erscheint. II. Die Erbschuld und die persönliche Schuld werden entfernt werden von seiten jenes selben, der auch derartige Mängel entfernen wird, nach Röm. 8.: „Beleben wird Er eure sterblichen Leiber durch seinen euch innewohnenden Geist.“ Beides aber geschieht nach der Ordnung der göttlichen Weisheit zu gebührender Zeit. Denn zur Unvergänglichkeit der Herrlichkeit, die in Christo begonnen hat und durch Ihn uns verheißen ist, gelangen wir nur, wenn wir zuerst seinem Leiden gleichförmig werden. Die Leidensfähigkeit des Leibes also bleibt in uns für eine gewisse Zeit, damit wir, gleichförmig mit Christo geworden, mit Ihm auch die unvergängliche Herrlichkeit verdienen. III. In der persönlichen, aktuellen Schuld ist zu betrachten die Substanz des Aktes oder der Thätigkeit und der Charakter der Schuld. Von seiten der Substanz des Aktes nun kann die aktuelle Schuld körperliche Mängel verursachen, wie vom Überflusse der Speise man krank wird und auch bisweilen stirbt; — von seiten der Schuld beraubt diese Art Sünde aber nur der Gnade, welche dem Menschen gegeben wird, auf daß er gut wirke seinen Akt, nicht aber, um körperliche Mängel zu verhindern; wie dies bei der Urgerechtigkeit der Fall war. Also nur die Erbsünde als solche hat zur Folge dergleichen Mängel.
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