Vierter Artikel. Über die Rückkehr der Häretiker zur Kirche.
a) Dieselben sind in jedem Falle aufzunehmen.Denn: I. Jerem. 3. sagt der Herr: „Gelebt hast du mit vielen Liebhabern; kehre jedoch zu mir zurück.“ Personen aber darf die Kirche nicht ansehen, daß sie den einen aufnimmt und den anderen nicht. II. Matth. 18. sagt der Herr zu Petrus: „Nicht nur siebenmal, sondern siebenmal siebzigmal“ sollst du verzeihen, wenn dein Bruder gefallen ist. Das wird dahin verstanden, man solle immer verzeihen, III. Die Kirche nimmt alle anderen Ungläubigen auf, die sich bekehren wollen; also muß sie auch die Häretiker aufnehmen. Auf der anderen Seite heißt es in der Dekretale de haereticis „ad abolendam“: „Wenn jemand, nachdem er den Irrtum abgeschworen, vieder zurückfällt; dann soll er dem bürgerlichen Gesetze überlassen werden.“ Also man soll ihn nicht mehr aufnehmen.
b) Ich antworte, die Kirche erstrecke ihre Liebe nicht bloß auf ihre Freunde und Glieder, sondern auch nach Matth. 5, 44. auf ihre Feinde. Zur Liebe aber gehört, daß jemand dem Nächsten Gutes wolle und Gutes thue. Das Gute ist nun ein doppeltes: ein geistiges und ein körperliches. Auf jenes richtet sich in erster Linie die heilige Liebe als göttliche Tugend; und mit Rücksicht darauf werden die Häretiker immer von der Kirche aufgenommen, daß sie Buße wirken und den Weg des Heiles wandeln. In zweiter Linie erst kommt das körperliche Gut, wie das zeitliche Leben, der zeitliche Besitz, der gute Ruf, die geistliche oder weltliche Würde. Denn solches Gute dürfen wir dem Nächsten nur wünschen mit Beziehung auf das ewige Heil. Wenn also ein solches Gute in einem hindern könnte das ewige Heil in vielen, so dürfen wir eben aus Liebe dieses Gute ihm nicht wünschen, sondern wir müssen vielmehr wollen, daß er dessen entbehre; sowohl weil das ewige Heil dem zeitlichen Gute vorgezogen werden muß, als auch weil das Gute vieler dem Gute eines einzelnen voransteht. Wenn aber nun die Häretiker immer wieder von der Kirche aufgenommen würden, nur damit sie ihr zeitliches Leben oder ihren zeitlichen Besitz bewahren, so wäre dies ein Nachteil für das Heil der anderen; sei es daß sie, zurückgefallen, fortführen, die anderen anzustecken, sei es daß andere, wenn sie sehen, daß jene ohne Strafe davonkommen, leichter in Häresie fallen würden. Denn Ekkle. 8. heißt es: „Weil nicht alsbald gegen die Bösen das Urteil vollstreckt wird, begehen die Menschenkinder ohne alle Furcht Sünden.“ Deshalb nimmt die Kirche, wenn die Häretiker das erste Mal zurückkehren, sie nicht nur auf, daß sie Buße thun; sondern sie erhält dieselben auch am Leben und bisweilen giebt sie ihnen ihre früheren geistlichen Würden zurück, wenn ihre Bekehrung als eine aufrichtige sich darstellt. Fallen aber die Häretiker zurück, so ist das ein Zeichen ihres Mangels an Standhaftigkeit mit Rücksicht auf den Glauben. Sie werden also wieder aufgenommen zu ihrem geistigen Heile; aber die Kirche thut nichts mehr, um das Todesurteil von ihnen abzuwenden.
c) I. Gott prüft die Herzen; Er nimmt deshalb immer die wahrhaft Bußfertigen wieder auf. Die Kirche aber kann darin Ihn nicht nachahmen. Denn sie setzt nach den äußeren Anzeichen voraus, die neue Bekehrung sei nach dem Rückfalle nicht aufrichtig. Sie schließt deshalb den Weg des Heiles nicht ab; aber sie thut nichts mehr, um die zeitlichen Strafen der Häresie abzuwenden. II. Der Herr spricht zum Petrus von der Sünde, die man gegen ihn, den Petrus, begeht; und da muß der Bruder immer des Bruders schonen. Das ist aber nicht der Fall, wenn es sich um eine Sünde gegen Gott oder gegen den Nächsten handelt; das liegt nicht in unserer Willkür, sie nach zulassen. Dafür ist im Gesetze die Art und Weise festgestellt, welche der Ehre Gottes und dem Nutzen der Mitmenschen entspricht. III. Die Ungläubigen, die sich zum Glauben bekehren, zeigen keinen Mangel an Standhaftigteit; dies ist aber bei den rückfälligen Häretikern der Fall.
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