Erster Artikel. Die Sünde gegen den heiligen Geist ist die nämliche wie die Sünde aus vorbedachter Bosheit.
a) Dies wird bestritten.Denn: 1. Die Sünde gegen den heiligen Geist ist Gotteslästerung. Nicht jede Gotteslästerung aber geschieht mit Vorbedacht; und umgekehrt ist nicht jede Sünde, die aus Vorbedacht geschieht, immer Gotteslästerung. Also ist das nicht dasselbe: Sündigen gegen den heiligen Geist und sündigen aus Bosheit. II. Die Sünde aus vorbedachter Bosheit steht neben den Sünden aus Schwäche und aus Unkenntnis als einander entgegengesetzte Glieder in der nämlichen Einteilung. Die Sünde gegen den heiligen Geist aber wird gegenübergestellt der Sünde „gegen den Sohn des Menschen,“ nach Matth. 12. Also ist die Sünde gegen den heiligen Geist nicht dasselbe wie die Sünde aus Vorbedacht. III. Die Sünde gegen den heiligen Geist ist eine gewisse Art Sünde, welche Unterabteilungen zuläßt. Die Sünde aus vorbedachter Bosheit aber ist keine besondere „Art“ Sünde, sondern ein allgemeiner Umstand, welcher zu jeder Sünde hinzutreten kann. Auf der anderen Seite heißt es 43. dist. 2. lib. Sententiar.: „Jener sündigt gegen den heiligen Geist, dem die Bosheit an und für sich gefällt.“ Das bedeutet aber sündigen aus vorbedachter Bosheit.
b) Ich antworte, in dreifacher Weise spreche man von der Sünde oder von der Lästerung gegen den heiligen Geist: 1. Athanasius nämlich, Ambrosius, Hilarius, Hieronymus und Chrysostomus sagen, die Sünde gegen den heiligen Geist sei etwas Gotteslästerisches gegen den heiligen Geist; sei es daß „heiliger Geist“ hier genommen wird für eine wesentliche Vollkommenheit Gottes, denn jede Person in Gott ist heilig und ist Geist, sei es daß die dritte Person damit gemeint ist. Und danach wird die Sünde gegen den heiligen Geist unterschieden von der gegen den Sohn des Menschen. Denn Christus that Menschliches, wie essen und trinken; und Er that Göttliches, wie Tote auferwecken, was Letzteres Er that sowohl auf Grund dessen daß Er selber Gott war als auch kraft der Thätigkeit des heiligen Geistes, der seine menschliche Natur anfüllte. Die Juden nun hatten zuerst sein rein menschliches Thun angegriffen, indem sie Ihn als „gefräßig“, „Weintrinker“, „Liebhaber von Gastmählern selbst bei Zöllnern“ hinstellten. Dann hatten sie das, was Er Göttliches that, angeschuldigt, indem sie es als Folge vom Einwirken des Teufels darlegten. Und danach hatten sie „gesündigt gegen den heiligen Geist“; während sie vorher „gegen den Menschensohn“ gesündigt hatten. 2. Auguftinus aber sagt (de verb. Dom. serm. 11.), die Sündegegen den heiligen Geist sei die Unbußfertigkeit bis ans Ende; und diese geschehe nicht nur mit dem Worte des Mundes, sondern auch mit dem des Herzens und der That; mit einem oder vielen Worten. Dieses Wort sei „gegen den heiligen Geist“, weil es gegen den Nachlaß der Sünden sich richte, welcher in der Liebe seinen Urquell habe. Der Herr aber spricht zu den Juden; nicht als ob sie bereits die Sünde gegen den heiligen Gerst begangen hätten, denn sie waren noch nicht unheilbar unbußfertig, sondern damit Er sie ermahnte, sie sollten nicht bis dahin kommen daß sie gegen den heiligen Geist sündigten. Deshalb heißt es bei Mark. 3.: „Wer aber gegen den heiligen Geist lästert“ und gleich darauf: „Denn sie sagten, einen unreinen Geist hat Er.“ 3. Andere wieder meinen, gegen den heiligen Geist sündige, wer gegen das dem heiligen Geiste Zugeeignete, gegen die göttliche Güte nämlich, sündigt. „Sündigen gegen den Vater“ sei sündigen aus Schwäche. „Sündigen gegen den Sohn“ sei sündigen aus Unkenntnis. „Sündigen gegen den heiligen Geist“ sei sündigen aus Bosheit. Letzteres nun geschieht entweder infolge eines lasterhaften Zustandes, der Bosheit genannt wird; und so ist es dasselbe: Sündigen aus Bosheit und sündigen gegen den heiligen Geist; — oder es geschieht weil vollständig frei verachtet und verworfen wird, was für die freie Wahl der Sünde ein Hindernis sein könnte; und so wird die Hoffnung verachtet vermittelst der Verzweiflung, die Furcht vermittelst des freventlichen Vornehmens u. s. w. Denn die Furcht, die Hoffnung etc., welche verhindern, daß man der Sünde nachgehe, sind Wirkungen des heiligen Geistes in uns.
c) I. Wie das Bekenntnis des Glaubens so kann auch das Lästern des heiligen Geistes in der Rede, im Herzen und im Werke sich kundgeben. II. Gemäß der letztgenannten Erklärung wird der „Menschensohn“ auch als Sohn Gottes genommen, „als Gottes Kraft und Gottes Weisheit“. Und danach ist dann die Sünde gegen den Menschensohn die Sünde aus Schwäche oder aus Unkenntnis. III. Soweit die Sünde aus Bosheit von einem gewissen schlechten Zustande ausgeht, ist sie ein allgemeiner Umstand und kann zu jeder Sünde treten. Soweit sie aber ihren Grund hat in einer speciellen Verachtung des heiligen Geistes und seiner Wirkungen, ist sie eine besondere Sünde; und ebenso nach der ersterwähnten Erklärung. Nach der zweiten Erklärung ist sie keine besondere Art Sünde; denn jede Sünde kann die Unbußfertigkeit zur Folge haben.
