Dritter Artikel. Die Sünde gegen den heiligen Geist wird nicht verziehen.
a.) Das Gegenteil scheint wahr. Denn: I. Augustin (de verb. Dom. 11.) sagt: „Man muß bei keinem verzweifeln, den die Geduld des Herrn zur Buße noch ruft.“ Also ist keine Sünde so groß, daß sie nicht nachgelassen werden könnte; sonst wäre an manchem Sünder zu verzweifeln. II. Zu Ps. 120. sagt die Glosse: „Dem allmächtigen Arzt tritt keine Sündenkrankheit entgegen, die Er nicht heilen könnte.“ III. Der freie Wille kann, so lange dieses Leben dauert, sich auf das Gute und das Böse richten. Jeder also kann von der Tugend abfallen; „hat Gott doch selbst in seinen Engeln Schlechtes gefunden.“ (Job 4.) Und jeder kann sich von der Sünde bekehren. Auf der anderen Seite heißt es Matth. 12.: „Wer ein Wort sagt gegen den heiligen Geist, dem wird dies nicht vergeben werden, weder in diesem Leben noch in jenem;“ und Augustin (de verb. Dom. 22.): „So groß ist der Schmutz dieser Sünde, daß sie sich mit der Demut, welche um Verzeihung bittet, nicht verträgt.“
b) Ich antworte: Wird als die Sünde gegen den heiligen Geist die Unbußfertigkeit bis zum Tode bezeichnet, so ist es von selbst gegeben, daß sie nicht nachgelassen wird. Nach den beiden anderen Meinungen aber ist dieses Charakterzeichen, daß sie nicht nachgelassen wird, so zu verstehen, daß sie in sich kein Moment einschließt, welches dazu Anlaß geben könnte, daß sie nachgelassen würde; wie z. B. ein solcher Anlaß Schwäche und Unkenntnis ist. Und dies ist in zweifacher Weise der Fall: 1. mit Rücksicht auf die Strafe; denn Schwäche oder Unkenntnis verdient von sich aus eine geringere Strafe, die Bosheit aber trägt keine Entschuldigung in sich. Auch wer gegen den Menschensohn sündigte, da seine Gottheit noch nicht geoffenbart war, konnte aus dem Anblicke der äußeren Schwäche desselben einen Entschuldigungsgrund schöpfen und verdiente so mindere Strafe. Wer aber seine Gottheit selber lästerte, indem er das, was der heilige Geist that, dem Teufel zuschrieb, der hatte keine solche Entschuldigung. Deshalb sagt Chrysostomus (Hom. 42. in Matth.), daß die Juden für diese Sünde keinen Nachlaß fanden; denn in diesem Leben sind sie bestraft worden durch die Zerstörung ihrer Stadt seitens Titus, und die Hölle hatten sie im künftigen Leben. So führt Athanasius in selbem Sinne das Beispiel ihrer Väter an (tract. sup. Matth. 12.), die zuerst gegen Moses sich auflehnten, weil sie an Wassermangel litten; und dies ertrug der Herr mit Geduld; — später aber sündigten sie schwerer, denn sie schrieben die von Gott empfangenen Wohlthaten den Götzen zu, sprechend: „Das sind deine Götter, Israel, die dich herausgeführt haben aus Ägypten;“ und dafür wurden sie in der Zeit gestraft, denn es fielen an jenem Tage dreiundzwanzigtausend Menschen, und die künftige Strafe ward angedroht: „Ich aber werde heimsuchen diese ihre Sünde am Tage der Rache.“ 2. Mit Rücksicht auf die Schuld. Denn eine Krankheit wird unheilbar genannt, durch welche das hinweggenommen wird, was der entsprechenden Heilung förderlich sein kann; wie z. B. wenn die Krankheit die Kraft der Natur zerstört oder Ekel verursacht an jeglicher Speise und an jeder Medizin; wiewohl Gottes Macht heilen kann. So nun steht die Natur der Sünden gegen den heiligen Geist dem entgegen, daß sie vergeben werden; denn sie schließen den heiligen Geist positiv aus, durch den der Nachlaß der Sünden geschieht. Damit ist jedoch der Barmherzigkeit und der Macht Gottes der Weg nicht verschlossen, wodurch solche Sünder bisweilen wie in wunderbarer Weise geheilt werden.
c) I. In Anbetracht der Macht und Barmherzigkeit Gottes ist am Heile Niemandes zu verzweifeln; mit Rücksicht auf die innere Natur der Sünde werden diese Sünder filii diffidentiae genannt. II. Auch hier geht der Einwurf von der Allmacht Gottes aus. III. Der freie Wille entfernt manchmal selber von sich, wodurch er zum Guten gerichtet werden könnte. Von seiner Seite also ist diese Art Sünde nicht geeignet, nachgelassen zu werden.
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