Dritter Artikel. Der Neid ist eine Todsünde.
a) Dem wird entgegengehalten: I. Der Neid ist eine Leidenschaft im sinnlichen Teile. In der Sinnlichkeit aber ist keine Todsünde, sondern in der Vernunft, (Aug. 12. de Trin. 12.) II. Auch die Kinder, die keine Todsünde begehen können, haben ganz wohl Neid. Denn Augustin schreibt (1. Conf. 7.): „Ich habe selber gesehen einen neidischen Knaben; noch nicht sprach er und blaß, mit bitterem Blicke, schaute er seinen Milchbruder an.“ III. Die Todsünde steht immer einer Tugend entgegen. Der Neidaber hat keine Tugend zum Gegensatze, sondern den Eifer oder den Unwillen, die da sinnliche Leidenschaften sind. Auf der anderen Seite heißt es Job 5.: „Den Kleinen tötet der Neid.“ Geistig töten aber ist nur der Todsünde eigen.
b) Ich antworte; in ihrer „Art“ ist die Sünde des Neides eine Todsünde. Denn der Gegenstand des Neides steht entgegen der heiligen Liebe, welche das Leben der Seele ist, nach 1. Joh. 14.: „Wir wissen, daß wir vom Tode zum Leben hinübergetragen worden sind, weil wir die Brüder lieben.“ Die Liebe aber sowohl wie der Neid hat zum Gegenstande das Gute im Nächsten, jedoch mit zu einander im direkten Gegensatze stehenden Bewegungen. Denn die Liebe erfreut sich daran und der Neid trauert darüber. Es finden sich im Bereiche jeder Art Todsünde indessen immer einzelne unfertige Aufwallungen, die in der Sinnlichkeit stehen bleiben und läßliche Sünden sind. So bestehen im Bereiche des Ehebruchs die ersten Bewegungen des Begehrens; im Bereiche des Totschlages die ersten Bewegungen des Zornes; und so auch können in vollkommenen Seelen erste Bewegungen des Neides sein.
c) I. Der Neid, welcher in der Sinnlichkeit stehen bleibt und die Zustimmung der Vernunft nicht findet, ist keine Todsünde. II. Damit beantwortet. III. Der Neid steht nach 2 Rhet. 9. entgegen der Barmherzigkeit und dem Eifer, jedoch unter verschiedenen Gesichtspunkten. Denn der Barmherzigkeit steht er unmittelbar auf Grund des Gegenstandes gegenüber; der neidische trauert über das Gute, der barmherzige über das Übel im Nächsten. Von seiten desjenigen aber, über dessen Vorzug getrauert wird, steht dem Neide der Eifer oder der Unwille gegenüber. Denn der eifernde ist traurig über das Gute in jenen, die es nicht verdienen, nach Ps. 72, 3. (s. ob.) Der neidische aber trauert über das Gute in jenen, die es verdienen.
