Erster Artikel. Kriegführen ist nicht immer Sünde.
a) Jeder Krieg ist sündhaft. Denn: I. Strafe wird vom Herrn nur für Sünden angedroht. Matth. 26. aber heißt es: „Wer zum Schwerte greift, wird durch das Schwert um kommen.“ II. Der Krieg ist gegen das göttliche Gesetz. Denn Matth. 5. heißt es: „Ich aber sage euch, nicht dem Bösen Widerstand zu leisten;“ und Röm. 13.: „Verteidigt euch nicht, Geliebteste, lasset den Zorn austoben.“ III. Der Krieg ist dem Frieden entgegengesetzt, d. h. einem Tugendakte. IV. Die Übung in erlaubten Sachen ist erlaubt. Die Übungen für den Krieg aber, wie Turniere, Zweikämpfe etc. sind verboten; und die darin sterben, werden nicht kirchlich begraben. Auf der anderen Seite sagt Augustin (de puero Centur. sermo): „Wenn die christliche Religion die Kriege überhaupt für sündhaft hielte, so würde das Evangelium eher den heilsamen Rat geben, die Waffen abzulegen und dem Kriegsdienste durchaus zu entsagen. Das thut es aber nicht; sondern es ward da gesagt: Plündert nicht; seid zufrieden mit euerem Solde. Denen ist also nicht verboten, Kriegsdienste zu leisten, welchen erlaubt wird, Sold anzunehmen.“
b) Ich antworte, damit ein Krieg gerecht sei, werde dreierlei erfordert: 1. Die Autorität des Fürsten. Denn nicht jeden geht es an, Krieg zu führen; er kann sein Recht bei einem höheren suchen; — und ähnlich geht es nicht jeden an, die Menge zusammenzurufen, welche zum Kriege notwendig ist. Vielmehr ist es Sache dessen, Krieg zu erklären, dem das Gemeinwesen anvertraut ist. Und wie die Fürsten letzteres gerechterweise verteidigen gegen innere Feinde, denn „nicht ohne Grund trägt er das Schwert; der Diener Gottes ist er, der Rächer für den, der Übles thut;“ (Röm. 13.); so gehört es ihnen an, auch gegen den äußeren Feind den Staat zu verteidigen. Deshalb heißt es Ps. 81.: „Reißet heraus den armen und befreiet den bedürftigen von der Hand des Sünders;“ und Augustin (22. cont. Faust. 75.) schreibt: „Die natürliche dem Frieden dienende Ordnung unter den sterblichen fordert dies, daß die Autorität und der Ratschluß, um Krieg, zu führen, bei den Fürsten sich finde.“ 2. Die gerechte Ursache; daß nämlich die Gegner auf Grund einer Schuld verdient haben, bekämpft zu werden. Daher sagt Augustin (sup. Jos. qu. 16.): „Gerechte Kriege nennt man solche, welche Beleidigungen rächen; wenn ein Volk oder ein Staat es vernachlässigt hat zu strafen, was von seinen Bürgern Übles verübt worden und deshalb gezüchtigt werden muß; oder wenn ein solches Volk nicht wiedererstatten will, was ungerechterweise hinweggenommen worden.“ 3. Die rechte Absicht derer, die Krieg führen; daß nämlich Übles verhütet und Gutes befördert werde. Deshalb sagt Augustin (de verb. Dom.): „Bei den Verehrern Gottes sind auch jene Kriege friedlich, die nicht aus Gewinngier oder mit Grausamkeit, sondern um des Friedens willen geführt werden, daß die Bösen ihre Strafe finden und den Guten Hilfe werde.“ Mag aber auch die Autorität des Fürsten da sein, der den Krieg erklärt und eine gerechte Ursache vorliegen; der Krieg wird trotzdem ein ungerechter, wenn eine schlechte Absicht vorwaltet. Denn Augustin schreibt (22. cont. Faust. 74.): „Die Gier zu verwüsten, die Grausamkeit in der Rache, der unfriedliche und unversöhnliche Geist, die Habsucht und Herrschsucht und Ähnliches; — das Alles ist es, was die Kriege sündhaft macht.“
c) I. „Jener greift im Sinne des Herrn zum Schwerte,“ wie Augustin lsgt (l. c. 70.), „welcher ohne gesetzmäßig autorisierte Gewalt, die es befiehlt oder zugiebt, zum Blutvergießen sich waffnet.“ Wer aber aus Eifer für die Gerechtigkeit, unter der Autorität des Fürsten, das Schwert gebraucht; der greift nicht zu selbem, sondern er empfängt das Schwert durch den Fürsten oder durch die Autorität des gerechten Gottes. Die aber gewaltthätig, eigenmächtig das Schwert ergreifen, werden nicht immer mit dem Schwerte getötet; sondern sie kommen durch das Schwert um, weil sie wegen der Sünde, die sie mit dem Schwerte begangen, ewig bestraft werden, wenn sie nicht bereuen. II. Derartige Gebote muß man immer mit Rücksicht auf die Bereitwilligkeit des Herzens halten (Aug. 1. de serrm. Dom. in monte 19.); daß nämlich immer der Mensch bereit sei, sich nicht zu verteidigen, nicht zu wider stehen etc. Bisweilen muß man aber thatsächlich anders handeln wegen des Gemeinbestens. Daher sagt Augustin (ep. ad Marcellinum): „Man muß Manches thun zum Besten derer, die nicht wollen, damit man, freilich immer mit einer gewissen gütigen Rauheit, strafe. Denn wem die Macht zu schaden entrissen wird, der wird zu seinem eigenen Nutzen besiegt. Nichts nämlich ist unglückseliger wie das Glück derjenigen, die sündigen, wodurch die sträfliche Straflosigkeit genährt und der böse Wille als innerer Feind gestärkt wird.“ III. Der gerechte Krieg wird um des Friedens willen geführt, steht also nicht dem Frieden entgegen. Deshalb sagt Augustin (ep. ad Bonifac.): „Der Friede wird nicht gesucht um des Krieges willen, sondern Krieg wird begonnen, damit man Frieden erlange. Sei also, wenn du Krieg führst, friedfertig, daß du die, gegen welche du kämpfest, durch den Sieg zur Nützlichkeit des Friedens bringest.“ IV. Kriegerische Übungen sind im allgemeinen nicht verboten; sondern solche gefahrvolle Übungen sind dies, woraus Gelegenheit zu Krieg und zu Raubzügen entsteht. Bei den Alten waren derartige Übungen ohne Gefahr und wurden deshalb genannt „Betrachtungen über die Waffen, Kriege ohne Blut“, nach Hieronymus.
