Zweiter Artikel. Die Väter können ihre Kinder, die Herren ihre Knechte schlagen.
a) Dagegen spricht: I. Ephes. 6.: „Ihr Väter, reizet nicht zum Zorne euere Kinder…Und ihr, Herren, thut dasselbe eueren Knechten gegenüber, lasset nach mit Drohungen.“ Schläge aber reizen im höchsten Grade zum Zorne und sind schlimmer wie Drohungen. II. 10 Ethic. ult. sagt Aristoteles: „Das Wort des Vaters kann mahnen, nicht zwingen.“ III. Jemanden in Zucht nehmen, ist jedem erlaubt; denn dies ist ein geistiges Almosen. (Kap. 32, Art. 3.) Wenn also die Eltern um der Zucht willen die Kinder schlagen dürfen, so kann auch jeder den anderen schlagen; was falsch ist. Auf der anderen Seite heißt es Prov. 13.: „Wer die Rute schont, haßt seinen Sohn;“ und 23.: „Entziehe dem Kinde nicht die Zucht. Schlägst du ihn mit der Rute; er wird nicht sterben. Du wirst ihn schlagen mit der Rute und seine Seele befreien von der Hölle.“ Ebenso Ekkli. 38.: „Dem böswilligen Knechte Fesseln und Pein.“
b) Ich antworte. Schlagen bereite dem Körper nur Schmerz, nimmt ihm aber nicht wie das Verstümmeln etwas von seiner Vollständigkeit; ist also in weit geringerer Schaden für den Körper wie das Verstümmeln. Ein soIcher Schaden nun kann dem Körper zugefügt werden nur als Folge der Gerechtigkeit, nämlich als Strafe; also nur von seiten jener Personen, welche über den betreffenden Gewalt haben. Weil die Kinder also den Eltern unterworfen sind, dürfen demgemäß diese sie schlagen, wie auch der Herr seinen Knecht; um sie zu bessern und zu erziehen.
c) I. Der Zorn hat vorzugsweise zur Quelle die Überzeugung, ungerecht verletzt worden zu sein. (2 Rhet. 2.) Paulus also verbietet den Eltern und den Herren, das rechte Maß in der Züchtigung zu überschreiten. Mit Drohungen sollen die Gebieter nachlassen, will entweder heißen, sie sollen mit gerechtem Maße, nur selten drohen; oder sie sollen manchmal das Angedrohte nicht ausführen, damit auch die Milde und Barmherzigkeit ihren Platz behaupte. II. Die höhere Gewalt muß über einen größeren Zwang verfügen. Der Fürst also hat, weil der Staat das vollendete Gemeinwesen ist, vollendete Gewalt, um die Ausführung seiner Befehle zu erzwingen; er kann Strafen ansetzen, die nicht mehr gutgemacht werden können wie Tötung, Verstümmelung. Der Vater und der Herr aber haben, weil die Familieund das Haus ein unvollendetes Gemeinwesen ist, nur unvollendete Gewalt, um zu zwingen; sie können nur leichtere Strafen ansetzen, die keinen unersetzbaren Schaden verurfachen, wie dies z. B. das Schlagen ist. III. Damit beantwortet.
