Dritter Artikel. Es ist erlaubt. Menschen einzukerkern.
a) Dies ist nicht erlaubt. Denn: I. Eine Thätigkeit ist in ihrer ganzen „Art“ schlecht, die auf einen ungehörigen Gegenstand sich richtet. Ein solcher ungehöriger Gegenstand für die Einkerkerung ist aber der Mensch; weil er freien Willen seiner Natur nach hat. Also ist es ein schlechter Akt, ihn einzukerkern. II. „Gott ließ den Menschen in der Gewalt seines freien Beratens;“ heißt es Ekkli. 15. Die menschliche Gerechtigkeit aber hat ihre Richtschnur in der göttlichen. III. Nur um jemanden vor schlechter Thätigkeit zu behüten, kann es erlaubt sein, ihn einzukerkern. Aber dann könnte jeder einen einkerkern, was falsch ist. Auf der anderen Seite liest man Lev. 24. jemand sei ins Gefängnis geworfen worden wegen der Sünde der Gotteslästerung.
b) Ich antworte, unter den Gütern des Körpers finde sich 1. die Unversehrtheit oder Vollständigkeit des Körpers; und daran wird der Mensch bestraft durch die Tötung oder Verstümmelung; — 2. die Ruhe und das Ergötzen der Sinne; und daran wird der Mensch bestraft durch das Schlagen; — 3. die Bewegung und der freie Gebrauch der Glieder; und dieser wird gehindert durch die Einkerkerung. Infolge der Gerechtigkeit also, als Strafe oder als notwendige Vorsicht, um ein Übel zu vermeiden, — aber nur so — ist es erlaubt, jemanden einzukerkern.
c) I. Der Mensch, welcher die ihm verliehene Gewalt mißbraucht, verdient dieselbe zu verlieren. Wer also durch den sündhaften Gebrauch seiner Glieder die freie Gewalt über selbige gemißbraucht hat, ist zukömmlicher Gegenstand für die Einkerkerung. II. Bisweilen zügelt Gott die Sünder, daß sie nicht sündigen können, nach Job 5.: „Gott zerstreut die Gedanken der böswilligen, daß ihre Hände nicht vollbringen können, was sie angefangen;“ — bisweilen aber läßt Er sie thun, was sie wollen; stets jedoch gemäß der von seiner Weisheit bestimmten Ordnung. Und so kerkert auch die menschliche Gerechtigkeit nicht für jede Schuld ein, sondern für manche. III. Einen Menschen für kurze Zeit festhalten, daß er nicht etwas Unerlaubtes thue, steht jedem frei; wie wenn jemand einen anderen festhält, daß er sich nicht in die Tiefe stürze oder einen töte. Schlechthin aber jemanden einschließen oder binden, damit er nichts Böses thue, gehört jenem zu, der im allgemeinen über die Wirksamkeit und das Leben des anderen verfügen kann. Denn dadurch wird der betreffende nicht nur gehindert, Böses zu thun, sondern auch vom Guten abgehalten.
