Dritter Artikel. Der Advokat oder Sachwalter sündigt, wenn er eine ungerechte Sache verteidigt.
a) Dem scheint nicht so. Denn: I. Wie die Erfahrenheit des Arztes sich zeigt, wenn er eine verzweifelte Krankheit behandelt; so die Kunst des Advokaten, wenn er eine verzweifelte Sache vertritt. Gleich dem Arzte also im entsprechenden Falle ist vielmehr ein Advokat zu loben, der eine ungerechte Sache verteidigt. II. Von jeder Sünde ist es immerdar erlaubt, abzustehen. Dem Advokaten aber ist es nicht erlaubt, eine Sache aufzugeben; vielmehr wird er dann bestraft, nach 2 Qq. 3. in append. Grat. ad cap. Si quem poenituerit. Also sündigt der Advokat nicht, wenn er eine ungerechte Sache verteidigt, nachdem er sie übernommen hat. III. Eine größere Sünde scheint es, der Ungerechtigkeit sich zu bedienen, damit man eine gerechte Sache verteidige (z. B. indem man falsche Zeugen aufführt oder falsche Gesetze angiebt), wie eine ungerechte Sache zu verteidigen. Dem Advokaten aber steht es zu, solche schlaue Mittel zu gebrauchen; wie dem Soldaten, Hinterhalte zu legen. Also sündigt der Advokat nicht, der eine ungerechte Sache verteidigt. Auf der anderen Seite wird 2 Paral. 19. zum Könige Josaphat gesagt: „Dem Gottlosen stehst du bei … und deshalb verdientest du den Zorn Gottes.“ Das thut aber der Advokat, der eine ungerechte Sache vertritt.
b) Ich antworte, unerlaubt sei es, zum Schlechten mitzuwirken, sei es durch Rat oder sonstige Hilfe; denn man steht dadurch auf der gleichen Linie mit dem, der das Übel thut, nach Röm. 1.: „Des Todes schuldig sind sie; und nicht nur sie, sondern auch die da zustimmen denen, die Solches thun.“ Daher sind alle diese, die zum Übel mithelfen, zur Wiedererstattung verpflichtet. (Kap. 62, Art. 7.) Wenn also der Advokat einer ungerechten Sache mit Wissen und Willen seinen Beistand leiht, so sündigt er zweifellos schwer und ist zur Wiedererstattung gehalten mit Rücksicht auf den Schaden, den durch die gerichtliche Verhandlung die andere Partei hat. Leiht er seinen Bristand, ohne zu wissen, daß die Sache ungerecht ist, so wird er in dem Maße entschuldigt wie die Unkenntnis entschuldigen kann.
c) I. Der Arzt, der in einem verzweifelten Falle seine Hilfe leistet, thut niemandem unrecht. Der Advokat aber thut jener Partei unrecht, gegen welche er die andere Partei ungerechterweise unterstützt. Also ist da keine Ähnlichkeit. Die Kunst des Advokaten kann in solchen Fällen lobwert sein; aber er sündigt, weil er seiner Kunst sich mit ungerechtem Willen bedient für das Schlechte. II. Wenn der Advokat während des Fortganges der Sache erst einsieht, sie sei ungerecht, so soll er sie nicht in der Weise verraten, daß er der anderen Partei hilft oder die erworbenen Geheimnisse preisgiebt; aber er kann sie derartig aufgeben, daß er seinen Schützling bestimmt, nachzugeben oder sich mit dem Gegner zu vertragen, ohne daß dieser letztere einen Schaden davonträgt. III. In einem gerechten Kriege darf der Soldat oder der Heerführer Hinterhalte legen, indem er klug sein Thun und Lassen verbirgt; aber er darf nicht betrügen, denn auch dem Feinde muß man Treue halten, sagt Cicero. (1. de offic.) So kann auch der Advokat in der Verteidigung einer gerechten Sache klug sein Vorgehen verbergen, damit man es nicht hindere; er darf aber nicht zu Lug und Trug seine Zuflucht nehmen.
