Vierter Artikel. Der Advokat kann für seine Verteidigung Geld nehmen.
a) Dies wird bestritten. Denn: I. Die Werke der Barmherzigkeit soll man nicht um zeitlichen Lohnes willen thun, nach Luk. 14.: „Wenn du ein Gastmahl giebst, so lade nicht deine Freunde oder Nachbarn ein, die reich sind, damit sie dich nicht ihrerseits wieder einladen und so du deinen Lohn hast.“ Jemanden verteidigen aber ist ein Werk der Barmherzigkeit. II. Jemanden vor Gericht verteidigen ist etwas Geistiges: nämlich der Gebrauch der Rechtswissenschaft. Das soll man aber nicht eintauschen gegen Zeitliches. III. Wie der Advokat, so ist beim Urteile der Richter und der Zeuge notwendig. Nach Augustin (ad Macedonium ep. 54.) aber „darf der Richter nicht das gerechte Urteil verkaufen und der Zeuge nicht sein wahres Zeugnis. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (I. c.): „Der Advokat verkauft erlaubtermaßen den Schutz, welchen er in gerechter Weise angedeihen läßt; sowie auch der rechtsverständige seinen in der Wahrheit und Aufrichtigkeit gegründeten Rat.“
b) Ich antworte, dafür, was der eine dem anderen zu leisten nicht verpflichtet ist, könne ganz wohl eine Entschädigung geboten werden. Der Advokat aber ist nicht immer verpflichtet, seine Hilfe zu leisten; also kann er dafür Bezahlung annehmen. Ebenso verhält es sich mit dem Arzte und dergleichen Personen, wenn sie nur maßhalten in ihren Forderungen und Rücksicht nehmen auf die Verhältnisse der Personen, der Obliegenheiten und auf den Umfang ihrer Mühe sowie auf den Gebrauch in ihrem Lande. Maßlosigkeiten in dieser Beziehung tadelt Augustin (l. c.) mit den Worten: „Was von den Advokaten durch unmäßige Begier erpreßt worden, das soll zurückerstattet werden; was man aber infolge lobwerten Gebrauches gegeben hat, nicht.“
c) I. Was der Mensch aus Barmherzigkeit thun kann, das ist er nicht immer verpflichtet, umsonst zu thun; sonst könnte er nichts von seinen Sachen verkaufen, da er jede von denselben aus Barmherzigkeit schenken kann. Nur soll er, wenn er thatsächlich aus Barmherzigkeit etwas thut, keine menschliche, sondern Belohnung von Gott erwarten. So soll der Advokat, wenn er umsonst die armen verteidigt, von Gott seinen Lohn erwarten; nicht von den Menschen. Er braucht aber nicht immer es umsonst zu thun. II. Der Gebrauch der Rechtswissenschaft vollzieht sich durch körperliche Mühe; und dafür kann man Bezahlung nehmen. Sonst dürfte kein Künstler für sein Werk Geld annehmen. III. Der Richter und der Zeuge sind beiden Parteien gemeinsam; denn der Richter muß ein gerechtes Urteil fällen und der Zeuge ein wahres Zeugnis ablegen. Die Gerechtigkeit und Wahrheit aber neigen sich zu dem einen Teile nicht mehr hin wie zum anderen. Deshalb wird der Richter für seine Arbeit aus der öffentlichen Kasse bezahlt; und den Zeugen werden ihre Auslagen wiedererstattet entweder von beiden Seiten oder von jener Partei, die sie zum Zeugen veranlaßt hat; denn „niemand leistet Kriegsdienste auf seine Kosten.“ (1. Kor. 9.) Der Advokat aber hilft der einen Partei; und somit kann er von dieser eine Entschädigung annehmen.
