Zweiter Artikel. Die Schmähung ist, in ihrer Art betrachtet, eine Todsünde.
a) Dem wird widersprochen: - I. Keine Todsünde kann Tugendakt sein. Schmähen aber ist ein Akt der Tugend der Eutrapelie oder der Kunst gut zu verkehren, nach 4 Ethic. 8. Also ist die Schmähung keine Todsünde. II. Todsünde findet sich nicht in den vollkommenen Männern. Paulus aber schmäht die Galater mit den Worten (Gal. 3.): „O verkehrte Galater“; und der Herr sagt (Luk. ult.): „O daß ihr thöricht seid und langsam im Herzen, um zu glauben!“ III. Wäre solche Schmähung der „Art“ nach eine Todsünde, so wäre sie es immer und in jedem Falle, nach I„ II. Kap. 88, Art. 4 u. 6. Dies aber scheint falsch, da manchmal aus Unüberlegtheit eine kleine Schmähung gesagt wird. Auf der anderen Seite verdient nur die Todsünde ewige Strafe. Die Schmähung aber verdient die Hölle, nach Matth. 5.: „Wer seinem Bruder sagt, du Narr, der ist des höllischen Feuers schuldig.“
b) Ich antworte, Worte gereichen dem anderen zum Nachteile, in soweit sie etwas bezeichnen; und diese Bezeichnung geht aus der inneren Verfassung hervor. Geht also ein solch schmähsüchtiger Ausdruck aus der Absicht hervor, die Ehre dem anderen zu nehmen; so schließt er in dem Wesen seiner Bezeichnung die Verunehrung dieses anderen mit ein und ist somit im eigentlichen Sinne Schmähung. Und das ist Todsünde, wie Diebstahl und Raub; denn es liebt der Mensch seine Ehre mehr wie seinen Besitz. Sagt aber einer dem anderen ein schmähendes Wort, um ihn zu bessern oder sonst in guter oder doch nicht in ehrabschneiderischer Absicht; so ist dies nicht an sich eine Schmähung und kann bisweilen läßliche Sünde sein, bisweilen gar keine. Nur ist im letzteren Falle Vorsicht geboten, daß man nicht maßlos solche Worte gebrauche; denn sonst könnte der betreffende schwer sündigen, wenn er auch nicht die Absicht hätte, den anderen zu verunehren; wie, wenn jemand aus Unvorsicht den anderen im Spiele schwer verletzt, er nicht ohne Schuld ist.
c) I. Zur Tugend der Eutrapelie gehört eine leichthin gemachte Schmähung, die nicht verunehrt und nicht betrübt, sondern vielmehr ergötzt oder ein Scherz ist; und das ist unter Wahrung der gebührenden Umstände ohne Sünde. Will aber jemand jenen betrüben, gegen den er eine solch scherzhafte Schmähung schleudert, und auf dessen Kosten die anderen zum Lachen bringen, so ist dies fehlerhaft (l. c.). II. Der Apostel spricht da, um die Galater zu bessern; was ebenso erlaubt ist, wie jemanden um seiner Besserung willen zu schlagen oder in seinem Besitze zu benachteiligen. Dasselbe gilt vom Worte Christi. „Jedoch,“ sagt Augustin (2. de serm. Dom. 19.), „darf man nur aus hoher Notwendigkeit solche Beschwörungen gebrauchen, in denen wir darauf dringen sollen, daß nicht uns, sondern Gott gedient werde.“ III. Die Schmähung hängt als Sünde von der Absicht der Seele ab; und so kann sie je nach dieser Absicht, wie oben gesagt, läßliche Sünde sein.
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