Dritter Artikel. Der Verkäufer ist gehalten, über den Fehler der verkauften Sache aufzuklären.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Der Verkäufer zwingt den Käufer nicht, zu kaufen. Daß also dieser selber nachsehe und prüfe! II. Thöricht wäre es, seiner eigenen Thätigkeit ein Hindernis zu setzen. Den Fehler aber in den verkäuflichen Gegenständen sagen, hieße der eigenen Verkaufsthätigkeit ein Hindernis setzen. Deshalb führt Cicero (3. de offic.) jemanden als in der Weise sprechend auf: „Was so thöricht als wenn der Besitzer einen herumschickt und verkünden läßt: Ein verpestetes Haus will ich verkaufen!“ III. Notwendiger ist es, die Wege der Tugend zu wissen wie die Fehler der verkäuflichen Dinge. Der Mensch ist aber nicht gehalten, jedem beliebigen einen Rat zu geben oder über die zur Tugend gehörige Wahrheit aufzuklären. Also braucht er auch nicht die Fehler der verkäuflichen Dinge zu sagen, obgleich er nichts Falsches über sie mitteilen darf. IV. Daß jemand gehalten ist, die Fehler einer verkäuflichen Sache zu sagen, hat keinen anderen Grund als weil er infolge dessen am verlangten Preise nicht festhalten kann, denselben vielmehr vermindern muß. Bisweilen aber müßte er vom Preise ablassen, auch ohne daß ein solcher Fehler bestände aus einem anderen Grunde; wie z. B. wenn der Verkäufer Weizen in einen Ort bringt, wo Teuerung ist und er weiß, daß noch viele nach ihm kommen, die ebenfalls Weizen bringen; was, wenn es den Leuten bekannt wäre, sie veranlassen würde, weit weniger zu bezahlen. Derartiges aber braucht der Verkäufer nicht zu sagen, wie es scheint. Also braucht er auch nicht die bestehenden Fehler mitzuteilen. Auf der anderen Seite schreibt Ambrosius (3. de offic. 10.): „In den Kaufverträgen müssen die Fehler an den verkäuflichen Gegenständen offenbar gemacht werden; hat dieselben der Verkäufer nicht mitgeteilt, so werden die Verträge auf Grund der betrügerischen List wertlos, obgleich die Dinge bereits in die Verfügung des Käufers übergegangen sind.“
b) Ich antworte; jemandem Gelegenheit geben, daß ihm Gefahr drohe oder daß er Schaden leide, ist immer unerlaubt. Jedoch ist es nicht immer notwendig, daß ein Mensch dem anderen fortwährend durch Rat und That hilft. Dies ist nur erfordert in manchen genau bestimmten Fällen; wenn z. B. jemand seiner Obsorge unterworfen ist oder wenn kein anderer helfen kann. Dadurch selbst aber daß der Verkäufer dem anderen eine fehlerhafte Sache, welche die Gefahr eines Nachteils in sich birgt, anbietet, giebt er diesem positiven Anlaß, einen Verlust zu leiden. Es besteht hier ein wirklicher Nachteil, weil der Verkäufer, der da eine wegen des vorhandenen Fehlers geringwertige Sache so verkauft als ob sie keinen Fehler hätte, über den thatsächlichen Wert hinaus verkauft. Es besteht noch dazu die Gefahr, daß der Gebrauch der betreffenden Sache gehindert wird oder diese gar sich schädlich erweist; wie wenn man ein lahmes Pferd verkauft als ob es fehlerlos wäre, oder ein Haus, das den Einsturz droht, für ein zuverlässiges, oder verdorbene vergiftete Nahrung für gute. Sind solche Fehler verborgen und dcr Verkäufer deckt sie nicht auf, so ist ein derartiger Verkauf unerlaubt und trügerisch und tritt die Pfticht der Wiedererstattung ein. Liegt aber der Fehler offen vor; hat z. B. das Pferd nur ein Auge oder kann der Gebrauch der Sache, obgleich er für den Verkäufer nicht paßt, anderen passen und zieht er selber so und so viel, nämlich so viel sich ziemt, vom Preise ab; so ist der Verkäufer nicht gehalten, von dem Fehler zu sprechen. Denn vielleicht würde der Käufer auf Grund eines solchen Fehlers mehr als ziemlich vom Preise abziehen wollen. Es kann da der Verkäufer erlaubterweise auf seine eigene Schadloshaltung bedacht sein und den Fehler verschweigen.
c) I. Prüfen und beurteilen kann man nur eine offen vorliegende Sache. Denn „nur über das, was man kennt, urteilt man“, heißt es 1 Ethic. 3. Sind also die Fehler der betreffenden Sache verborgen und der Verkäufer offenbart sie nicht, so wird dem Käufer nicht in genügende Weise ein Urteil ermöglicht. II. Man braucht die Fehler einer Sache nicht öffentlich ankündigen zu lassen; denn das würde die Käufer abschrecken, da sie die guten Seiten der betreffenden Sache nicht kennen. Dem einzelnen aber, der kaufen will muß man die Fehler mitteilen; und dieser kann dann die guten und schlechten Eigenschaften miteinander vergleichen, da eine fehlerhafte Sache nach anderen Seiten hin höchst nützlich sein kann. III. Der Mensch ist gehalten, rücksichtlich der Tugend dem anderen die Wahrheit zu sagen, wenn aus seiner That diesem anderen Gefahr drohte zum Nachteile der Tugend, falls er nicht die Wahrheit sagte; und so ist es hier. IV. Der Fehler besteht einmal bereits; und so ist gegenwärtig die Sache minderwertig. Im erwähnten Falle aber wird die Minderwertigkeit als in der Zukunft eintretend vorhergesehen. Der Verkäufer also, der die Ware nach dem vorgefundenen, gegenwärtigen Preise verkauft, scheint nicht gegen die Gerechtigkeit zu handeln, wenn er nicht berichtet, was zukünftig sein wird. Berichtete er es oder verminderte er den Preis, so wäre dies freilich ein höherer Tugendgrad; aber eine Verpflichtung von der Gerechtigkeit aus scheint hier nicht zu bestehen.
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