Vierter Artikel. Man kann das Geld annehmen, welches auf Zins oder mit Wucher geliehen wird.
a) Dagegen spricht: I. Röm. 1, 32.: „Des Todes sind wert nicht nur sie, sondern auch die ihnen zustimmen.“ Wer also annimmt, der trägt zum Wucher bei und ist der gleichen Sünde schuldig. II. Keiner darf um zeitlichen Vorteils willen dem anderen Gelegenheitzur Sünde geben; denn das gehört zum Wesen des wirksam eingreifenden, also des thätigen Ärgernisses. III. Nicht minder notwendig scheint es manchmal, sein Geld dem Wucherer anzuvertrauen, als von ihm solches zu leihen. Dem Wucherer aber Geld anvertrauen, ist durchaus unerlaubt; denn das bedeutet ebenso viel als dem rasenden ein Schwert geben. Auf der anderen Seite sagt Aristoteles (5 Ethic. 11.): „Wer Unrecht leidet, der sündigt nicht.“ Deshalb steht die Gerechtigkeit nicht in der Mitte zwischen zwei Lastern. Der Wucherer aber sündigt; denn er thut Unrecht jenem, der von ihm entleiht. Also sündigt der letztere nicht.
b) Ich antworte, den Menschen zum Sündigen verleiten, sei durchaus unerlaubt; die Sünde eines anderen aber zu etwas Gutem zu gebrauchen, sei erlaubt. Denn Gott weiß sich aller Sünden zu etwas Gutem zu bedienen. (Aug. Enchir. cap. 11.) Deshalb antwortet Augustin dem Publikola (ep. 47.): „Wer sich bedient des Glaubens desjenigen, der bei den falschen Göttern schwört, nicht freilich zu etwas Schlechtem, sondern zu etwas Gutem, der wird nicht Genosse der Sünde dieses Ungläubigen, kraft deren er bei den Teufeln geschworen hat; sondern er wird Genosse des guten Willens desselben, kraft dessen dieser die Treue hält und die Wahrheit sagt. Würde er ihn aber anleiten dazu, bei den falschen Göttern zu schwören, so sündigte er.“ So nun auch hier. In keiner Weise darf man jemanden dazu verleiten, Wucherer zu sein. Man kann aber von jenem, der dazu bereit is und das Wuchergeschäft betreibt, ein Anleihen machen zu Wucherzinsen, auf Grund von etwas Gutem, wie z. B. dies der Unterhalt der Familie etc. ist. So kann auch jener, der unter die Räuber fällt, seine Güter zeigen, die er bei sich trägt, damit man ihn nicht töte; die Räuber aber sündigen, welche dieselben rauben. So sagten Jerem. 41. die zehn Männer zu Ismael: „Töte uns, wir haben Schätze im Acker.“
c) I. Der vom Wucherer Geld entleiht, stimmt nicht seiner Sünde zu, sondern gebraucht selbe; ihm gefällt nicht das Annehmen der Wucherzinsen sondern die Anleihe. II. Wer Geld vom Wucherer annimmt, giebt nicht Gelegenheit zu Wucherzinsen, sondern zum anständigen Leihen. Der Wucherer nimmt aus der Bosheit seines Herzens Veranlassung, zu sündigen. Er erleidet oder nimmt also freilich Ärgernis; der um ein Darlehen bittende aber giebt ihm keines. Und der letztere hat nicht nötig, um dieses Ärgernisses willen von seiner Bitte abzustehen, wenn er in Not ist. Denn solches Ärgernis rührt weder von Schwäche her noch von Unkenntnis, sondern von innerer Bosheit; es ist ein freiwillig genommenes Ärgernis. III. Wer dem Wucherer Geld anvertraute, damit er vermittelst desselben Wucher treibe und der Wucherer sonst kein Geld hätte; der diesem den Stoff und positiven Anlaß geben, um zu sündigen und wäre somit ebenfalls schuldig. Hat aber der Wucherer sonst Geld und vertraut man ihm solches nur an, weil es da sicherer bewahrt wird, so liegt kein Sünde vor; man benützt dann bloß den Sünder zu etwas Gutem.
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