Vierter Artikel. Das Opfern der Erstlinge.
a) Dazu besteht keine Verpflichtung. Denn: I. Exod. 13. heißt es über die Erstgeburt: „Sie wird wie ein Zeichen sein in deiner Hand.“ Also ist dies ein Ceremonialgesetz und diese Gesetze gelten nicht mehr. II. Die Erstlinge wurden dargebracht als Anerkennung der besonderen, den Juden erwiesenen Wohlthaten, nach Deut. 26.: „Nimm von deinen Früchten die Erstlinge und tritt mit ihnen zum Priester und sage: Ich bekenne es heute vor dem Herrn deinem Gotte, daß ich in das Land eingezogen bin, welches Er unseren Vätern zugeschworen hat.“ Andere Völker also geht dies nichts an. III. Wozu jemand gehalten ist, das muß bestimmt formuliert sein. Weder im Alten noch im Neuen Testament aber wird gefunden, wie viel nach dieser Seite hin geopfert werden soll. Auf der anderen Seite heißt es 16 Qu. 7. cap. Decimas: „Den Zehnten und die Erstlinge, welche nach unserer Bestimmung den Priestern rechtlich zukommen, soll man von jedem Volke empfangen.“
b) Ich antworte, die Erstlinge seien eine Opfergabe Gott gegenüber: denn sie werden Gott dargebracht mit einem gewissen Bekenntnisse, Deut. 26.: „Und der Priester wird den Korb (mit den Erstlingen) aus deiner Hand nehmen und ihn setzen vor den Altar des Herrn, deines Gottes,“ wonach der darbringende spricht: „Deshalb nun bringe ich dar die Erstlinge der Früchte der Erde, welche der Herr mir gegeben.“ Damit bekannte er also, daß er von Gott die Früchte der Erde empfangen habe. Und weil wir Gott darbringen müssen, was an erster Stelle steht, und dem Priester es zusteht, das Volk vor Gott zu vertreten (Hebr. 5.); deshalb kamen die Gott vom Volke dargebrachten Erstlinge in den Gebrauch und zur Verwendung der Priester. Deshalb wird Num. 18. gesagt: „Der Herr sprach zu Aaron: Siehe, ich habe euch die Hut über meine Erstlinge übertragen.“ Dies gehört aber zum Naturrechte, daß der Mensch von den durch Gott verliehenen Dingen etwas Gott darbringe zur Ehre Gottes. Daß aber dies geschehe in solcher Quantität, solch bestimmten Personen gegenüber oder gerade von den ersten Früchten; das ward nur im Alten Testament genau bestimmt. Im Neuen Bunde wird durch die Erklärung der Kirche bestimmt, daß die Menschen die Erstlinge darzubringen haben gemäß der Gewohnheit des jedesmaligen Volkes und gemäß den Bedürfnissen der Diener der Kirche
c) I. Die Ceremonialvorschriften bestanden wesentlich als Zeichen des Zukünftigen; und deshalb hörte ihre verpflichtende Kraft auf, als die durch sie bezeichnete Wahrheit eingetreten war. Das Darbringen der Erstlinge aber bezeichnete eine bereits vergangene Wohlthat, durch die nach der natürlichen Vernunft die Schuld der Anerkennung verursacht wird. Und deshalb bleibt diese Verpflichtung in ihrer allgemeinen Form. II. Nicht nur weil Gott ihnen das verheißene Land gegeben, sondern auch wegen der jährlich erhaltenen Früchte der Erde brachten die Juden die Erstlinge dar. Deshalb heißt es Deut. 26.: „Ich bringe die Erstlinge der Früchte des Erdbodens dar, welche der Herr mir gegeben.“ Letzteres aber gilt für alle Völker. Oder, kann man sagen, wie der Herr den Juden das Land der Verheißung als besondere Wohlthat gegeben; so hat Er dem ganzen Menschengeschlechte im allgemeinen die ganze Erde verliehen, nach Ps. 113.: „Die Erde gab Er den Menschenkindern.“ III. Zu Ezech. 45. (hae sunt primitias) bemerkt Hieronymus: „Die Vorfahren haben uns überliefert und so ist es eingeführt worden, daß wer am meisten giebt, den vierzigsten Teil überlasse anstatt der Erstlinge den Priestern; wer weniger giebt, der solle den sechzigsten Teil überlassen.“ Also dies scheinen die Grenzen zu sein, innerhalb deren man nach dem Gebrauche die Erstlinge darbringt. Jedoch hat vernünftigerweise das kirchliche Gesetz nicht die Quantität derselben bestimmt; denn die Erstlinge werden dargebracht in der Weise von dargestellten Gaben und zu deren Wesen gehört die Freiwilligkeit.
